Britannien-Reise von Benedikt XVI. stößt auf ein positives Echo

Der Papst verurteilt "unbeschreibliche" Missbrauchsverbrechen

Es waren die erwarteten Worte zur richtigen Zeit: Mit Nachdruck hat Papst Benedikt XVI. am Samstag in London die "unbeschreiblichen Missbrauchsverbrechen" an Kindern durch katholische Geistliche verurteilt. Während seiner einzigen öffentlichen Messe in der britischen Hauptstadt sprach er den Opfern sein tiefes Bedauern aus.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Er äußerte seine Hoffnung auf eine Heilung der unschuldig Betroffenen von ihren ungeheuren Leiden und forderte zugleich eine Erneuerung der kirchlichen Jugendarbeit. Die Skandale seien eine Beschämung, Demütigung und Strafe für die ganze Kirche, unterstrich der 83-Jährige in der katholischen Westminster-Kathedrale.



Die Missbrauchsvergehen hatten in Großbritannien nicht das Ausmaß und die mediale Rolle wie etwa in Irland oder den USA. Das hat mit der Minderheitssituation der katholischen Kirche im Vereinigten Königreich zu tun, aber auch mit einem frühzeitigen und entschiedeneren Vorgehen der britischen Bischöfe - das der Papst bereits bei der Anreise am Donnerstag ausdrücklich gewürdigt hatte.



Dennoch hat die Skandalwelle auch die englische und schottische Kirche erreicht. Missbrauchsopfer traten an die Öffentlichkeit; die Fälle wurde zum Medienthema. Und im Vorfeld der Reise wurde sogar ein Haftbefehl gegen den Papst gefordert - was die britische Regierung aber von vornherein unterband. Freilich protestierten am Rand der Papststationen in Glasgow wie in London Kritiker lautstark und mit Transparenten gegen Papst und Kirchenleitung.



Mit seinen Ökumene-Begegnungen am Vortag und der Rede an Vertreter aus Politik und Kultur in der Westminster Hall hatte Benedikt XVI. Öffentlichkeit wie Medien beeindruckt. Das Fernsehen begann alle Nachrichtensendungen am Freitagabend mit dem Treffen des Pontifex mit dem anglikanischen Primas Rowan Williams. Die Bilder von der Umarmung der beiden Kirchenführer und von ihrem feierlichen ökumenischen Gottesdienst in der Westminster Abbey liefen immer wieder über den Bildschirm. Und für die Rede in der Westminster Hall fanden die Zeitungen Superlative.



"20 Minuten zu spät, aber rechtzeitig, um Geschichte zu machen", titelt "The Times". Der erste Papst, der seinen Fuß in die Residenz des anglikanischen Primas gesetzt hat; der erste, der mit ihm in der Westminster Abbey betet. Und vor der britischen Elite habe er seine "stärkste Herausforderung" an die säkulare Gesellschaft gerichtet.



Seine Ausführungen zur Bedeutung von Religion für Politik und Wirtschaft fänden breite Beachtung. Ebenso seine Kritik an einer wachsenden Ausgrenzung der Religion, ihrer Feste und Riten aus dem öffentlichen Leben - im Namen einer falsch verstandenen Religionsfreiheit. Der Papst habe ausgesprochen, was sonst keiner zu sagen wage, meinte ein anglikanischer Kirchenmann.



Unterdessen scheint in London der erste Schrecken über mögliche Attentatsdrohungen abzuflachen. Scotland Yard habe keine Verbindung zwischen sechs verhafteten Algeriern und dem Papst gezogen, bestätigte ein hoher Polizeivertreter gegenüber Journalisten. Es gebe keinen konkreten Verdacht, dass sie etwas gegen Benedikt XVI. planten. Man habe es aber für besser gehalten, diese Personen während des Papstbesuches nicht frei herumlaufen zu lassen, zitiert die "Times" einen Polizeisprecher. Vatikansprecher Federico Lombardi bezeichnete die Berichterstattung über den Vorfall als überzogen.



Auch für die Stellung der Katholiken des Landes ist der Papstbesuch von hoher Bedeutung. Vier Tage lang steht die Minderheit - lange als Kirche armer irischer Immigranten beargwöhnt - im Mittelpunkt des Interesses. Sie profitiert von dem Ansehen und dem Respekt, den sich ihr römisches Oberhaupt mit seinen Ansprache und Gesten verschafft.



Und nach der Queen, die Benedikt XVI. bereits am Donnerstag in Schottland traf, wollte auch die Regierungsspitze ihren Gesprächstermin beim Papst. Nacheinander wurden am Vormittag Premierminister David Cameron, sein Vize Nick Clegg und Oppositionschefin Harriet Harman vorstellig. An Themen hat es nach der großen Rede des Papstes in Westminster sicher nicht gefehlt.