Bremen will Friedhofszwang aufheben

Die Urne im Wohnzimmer

Omas Asche auf dem Kaminsims? In Bremen könnte dies bald Wirklichkeit werden: Das Bundesland will den Friedhofszwang für Urnen lockern. Kirchen und Friedhofsgärtner sehen den würdevollen Umgang mit der Asche der Toten gefährdet.

Autor/in:
Frank Bretschneider
Urne zu Hause (epd)
Urne zu Hause / ( epd )

"Kein Ort wie jeder andere" - so lautet das Motto für den bundesweiten "Tag des Friedhofs" an diesem Wochenende. In Bremen steht die vom Bund deutscher Friedhofsgärtner in Bonn auf den Weg gebrachte jährliche Veranstaltung unter einem besonderen

Vorzeichen: Im kleinsten Bundesland will die rot-grüne Koalition in einem deutschlandweit einmaligen Vorstoß den Friedhofszwang lockern. Voraussichtlich Ende September will die Bürgerschaft über einen entsprechenden Antrag entscheiden.

Er sieht vor, dass Angehörige die Urne mit der Asche eines Verstorbenen zwei Jahre lang zu Hause aufbewahren dürfen. Erst dann muss die Urne in einer Grabstätte beigesetzt werden, die zuvor reserviert und nachgewiesen worden sein muss. Damit würde das aus dem Jahr 1934 stammende deutsche Feuerbestattungsgesetz zumindest teilweise ausgehebelt. Nach dieser Verordnung muss eine Urne mit der Asche des Toten zwingend sofort auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen wie Friedwäldern beigesetzt werden.

Firedhofszwang nur noch in Deutschland und Österreich

"Deutschland und Österreich sind die einzigen verbliebenen Länder mit einem Friedhofszwang", kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, Maike Schäfer. In anderen Ländern dürfe die Asche Verstorbener dagegen zu Hause aufbewahrt werden. Wenn die Bremer Bürgerschaft den Weg zu einer Novellierung des Bestattungsrechts freimache, solle außerdem die Asche auf ausgewiesenen Friedhofsflächen ausgestreut werden dürfen.

Schäfer geht davon aus, dass die Entscheidung eine bundesweite Debatte über den Friedhofszwang auslöst. "Ich bin überzeugt, dass der Bremer Beschluss diese Diskussion in den Bundesländern ankurbeln wird", sagt sie. Es gebe überall in Deutschland eine wachsende Zahl von Menschen, die woanders als auf dem Friedhof bestattet werden wollten. Das müsse die Politik berücksichtigen.

Schon jetzt lässt sich das deutsche Bestattungsrecht auf legalem Wege umgehen. Das Online-Bestattungsunternehmen Anternia mit Sitz in Bornheim bei Bonn etwa bietet Einäscherungen in der Schweiz an. Nach dem Bestattungsrecht der Eidgenossen gilt die Urne ab der Übergabe an die Hinterbliebenen als beigesetzt. Sie wird dann vom Schweizer Partner des Unternehmens nach Deutschland überführt und kann unbefristet zu Hause aufbewahrt werden.

"Die Nachfrage ist steigend", berichtet Anternia-Sprecher Markus Deutsch. Das liege nicht zuletzt daran, dass sich viele Menschen mehr Zeit wünschten, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Für sie sei der Friedhof deshalb keine Lösung. Sie fühlten sich vom deutschen Bestattungsrecht geradezu bevormundet. "Das Gesetz traut den Bürgern offenbar nicht zu, mit einer Urne anständig umzugehen", kritisiert Deutsch. Doch auch wer aus Deutschland eine Feuerbestattung in der Schweiz wähle, müsse dort einen Grabplatz nachweisen können.

Die beiden großen Kirchen sehen den Bremer Vorstoß kritisch. Die Bremische Evangelische Kirche begrüßt in einer Stellungnahme zwar die "entstandene öffentliche Diskussion über Fragen der Bestattungskultur", hat jedoch gegen eine befristete Aufbewahrung der Urne zu Hause erhebliche Bedenken. Wenn der Ort der Beisetzung nicht öffentlich zugänglich sei, hätten weitere Angehörige wie etwa Freunde oder Nachbarn keinen Ort für ihre Trauer. Auch sei ungeklärt, wie die Einhaltung der Aufbewahrungsfrist kontrolliert werden könne.

Katholische Kirche: Verwaltungsrechtliche Probleme

Ähnlich argumentiert auch die katholische Kirche in der Hansestadt. "Eine solche Privatisierung kann aus psychologischer und geistlicher Sicht das Abschiednehmen, das Loslassen und Trauern verhindern. Sie macht es unmöglich, dass andere Menschen das Grab an einem öffentlichen Ort besuchen und so um den Verstorbenen trauern", warnt der Leiter des Katholischen Büros in Bremen, Propst Martin Schomaker. Auch er sieht "enorme verwaltungsrechtliche Probleme" bei der Kontrolle, dass "würdevoll mit der Urne umgegangen und sie nicht irgendwo entsorgt wird".

Pietätlosigkeit befürchtet auch der Bund deutscher Friedhofsgärtner. "Ein Umgang mit der Wahrung der Totenruhe ist außerhalb des Friedhofs nicht gewährleistet", warnt Vorstandsmitglied Martin Walser. Die Würde des Menschen sei über den Tod hinaus unantastbar. Mit einer Urne, die im Wohnzimmer stehe, werde "am Fundament einer jahrhundertealten Tradition gesägt".


Quelle:
epd