Hinter den Absperrgittern pusten die Gegendemonstranten in ihre Tröten und Trillerpfeifen, rufen laut "Buh", strecken ihre Plakate in die Luft: "Pierre hat nen Vogel" und
"Islam ist Frieden. Salafismus ist Krieg" ist darauf zu lesen. Bis zu 400 Menschen beteiligen sich an dem Protest gegen eine Veranstaltung des umstrittenen Salafistenpredigers Pierre Vogel in Offenbach. Ihr Ziel: Ein Zeichen gegen Intoleranz zu setzen.
Frauen links, Männer rechts
"In Offenbach ist kein Platz für solche Hassprediger", sagte die Sprecherin des Bündnisses "Bunt statt Braun", Barbara Leissing. Salafismus stehe für religiösen Fanatismus, für Frauenunterdrückung und Kriegsverherrlichung. Auf der anderen Seite warten bis zu 200 Menschen vor einer Anhängerbühne auf den Auftritt von Pierre Vogel, die Frauen - viele in Vollverschleierung - links, die Männer rechts. Nach Angaben der Polizei kommt es zu keinen Zwischenfällen. Die Einsatzkräfte sind mit einem großen Aufgebot vertreten.
"Toll, wie er predigt"
Als der bekannte Konvertit drei Stunden nach dem offiziellen Beginn der Veranstaltung aus einem weißen Smart steigt und zur Bühne läuft, zücken viele Anhänger ihre Smartphones. "Wow", sagt eine 17-Jährige mit schwarzem Kopftuch, als Pierre Vogel direkt an ihr vorbeigeht. Sie schlägt die Hände vors Gesicht, kichert, strahlt ihre
beiden Freundinnen an. "Ich finde toll, wie er predigt", sagt das Mädchen. «Sehr für Jugendliche.»
Deutlich weniger Zuschauer als erwartet
Allerdings sind zu der Veranstaltung mit dem Titel "Scharia - barbarisch oder perfekt?" deutlich weniger Zuhörer gekommen als erwartet. Die Veranstalter hatten mit rund 500 Teilnehmern gerechnet. Auch eine junge Mutter mit Kleinkind im Buggy ist über die geringe Beteiligung überrascht. Mit der aktuellen Debatte über die Rekrutierung junger Muslime für den "Dschihad" (Heiliger Krieg) hat das ihrer Meinung nach nichts zu tun. Viele Jugendliche schätzten Vogel, weil er "cooler" rede als die älteren Prediger.
"Wir haben keinen Kuschelgott"
Die salafistische Szene im Rhein-Main-Gebiet sorgt derzeit für viele negative Schlagzeigen. So wurde unter anderem Anfang Mai ein Jugendhaus für mehrere Wochen geschlossen, nachdem radikale Muslime dort Mitarbeiter bedroht hatten. Der ehemalige Boxer aus dem Rheinland betont auf der Bühne, er würde die Geschichte gerne von dem "Bruder" selbst hören. Er könne sich gut vorstellen, dass einiges "verdreht" worden sei. In seiner Rede preist Vogel die Scharia. "Wir haben keinen Kuschelgott, wir haben einen wahrhaftigen Gott», sagt der 35-Jährige. Gott habe das gesamte Universum erschaffen, also habe er auch das Recht zu sagen, "was du zu tun und zu lassen hast".
Wer will konvertieren?
Viele Menschen assoziierten die Scharia mit "rollenden Köpfen, abgeschlagenen Händen und geschlagenen Frauen", sagt Vogel. Der Koran umfasse 6.000 Verse, in gerade einmal 15 davon gehe es um Strafen im Diesseits. Die Körperstrafen machten nur einen kleinen Teil des Islams aus. Das Beten und Fasten gehöre zu den Säulen des Korans, doch das trete völlig in den Hintergrund. Muslime müssten unter Scharia verstehen, ihre Nachbarn gut zu behandeln, mit ihren Familien nicht zu streiten - "und dass es keine Zwangsheirat im Islam gibt", sagt der Prediger.
Am Ende seiner über eineinhalbstündigen Rede lichten sich die Reihen deutlich, die Zahl der Zuhörer hat sich halbiert. Schnell ruft der Prediger alle auf die Bühne, die zum Islam konvertieren wollen. Ein junger Mann tritt hervor, später gesellt sich noch eine Frau hinzu.
"Fatale Mischung aus Patriarchat, Tradition und Religion"
Eine Gegendemonstrantin mit braunen Locken hat ein Schild mit der Aufschrift "Vogel flieg weg" gebastelt. Am Salafismus kritisiert sie vor allem die "fatale Mischung" aus Patriarchat, Tradition und Religion. Wenn sie die tiefverschleierten Musliminnen sehe, merke sie, wie sie zornig werde - und zugleich Mitleid habe. "Ich hoffe, dass sie sich irgendwann selber wehren", sagt die Demonstrantin.
Breiter Protest gegen Salafistenveranstaltung
Zu der Gegendemonstration hatten die Offenbacher Grünen, die Linke, die Jusos und das Bündnis "Bunt statt Braun" aufgerufen. Es ist das erste Mal, dass sich im Rhein-Main-Gebiet ein so breiter Protest gegen eine Salafistenveranstaltung formiert hat. Der Staatsschutz geht davon aus, dass es alleine in Frankfurt schätzungsweise 350 gewaltbereite Salafisten gibt. Die Zahl ist durch den Krieg in Syrien sprunghaft angestiegen. Nach Einschätzung der Behörden versuchen einige von ihnen, gezielt junge Muslime für eine Teilnahme am "Dschihad" zu rekrutieren.