BRD-Fernsehpremiere der "Feuerzangenbowle" war ein Straßenfeger

Mehr als jeder Zweite saß Weihnachten 1969 vor der Glotze

Der Deutschen liebster Film entstand, damit im Bombenhagel von 1944 noch ein bisschen was zu lachen da war. 25 Jahre und ein Wirtschaftswunder später kam die "Feuerzangenbowle" erstmals ins bundesdeutsche Pantoffelkino.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
"Feuerzangenbowle" war ein Straßenfeger / © Britta Pedersen (dpa)
"Feuerzangenbowle" war ein Straßenfeger / © Britta Pedersen ( dpa )

26. Dezember 1969. Was für ein aufregendes Jahr war das bloß gewesen: Mondlandung, Willy Brandt Kanzler, Vietnam-Krieg, Woodstock, erster Flug der Concorde, die Peter-Alexander-Show. Nun waren alle Wirtschaftswundergeschenke ausgepackt, alle Mastgänse verdaut, und in der Rotweinflasche war noch was drin. Zweiter Weihnachtstag 1969, vor 50 Jahren: Zeit fürs Pantoffelkino.

Das ZDF bringt erstmals "Die Feuerzangenbowle" von und mit Heinz Rühmann. Die Einschaltquote klingt in Zeiten von Netflix und Smart-TV fantastisch: 53 Prozent oder 20 Millionen Bundesbürger vor den Geräten - ein Straßenfeger. In dieser Hinsicht hatte im Übrigen mal die DDR die Nase vorn: Hier war die "Feuerzangenbowle" schon im Dezember 1964 erstmals im Fernsehen gelaufen.

"Kleines Meisterwerk zeitlos heiteren Eskapismus"

Der Deutschen liebster Film entstand, damit im Bombenhagel von 1944 noch ein bisschen was zu lachen da war. Die "Feuerzangenbowle" zauberte für gut eineinhalb Stunden ein Lächeln ins Gemüt. Ein "kleines Meisterwerk zeitlos heiteren Eskapismus" nannte der Filmkritiker Georg Seeßlen den Film, der auch von einem der Lieblingsorte der Deutschen handelt: der Schule; wo man gebildet und verbildet, gerade gemacht oder verbogen wird.

In die Provinz und in eine "gute alte Zeit" (um 1900) verschlägt es den erfolgreichen Schriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer. Weil er einst seine eigene Schulzeit durch großbürgerlichen Privatunterricht verpasst hat, ersinnen seine Zechkumpane unter dem Einfluss einer Feuerzangenbowle den Plan, ihn als Oberprimaner Hans Pfeiffer (mit drei f) einzuschleusen und sein Lausbubentum nachholen zu lassen - wovon er reichlich Gebrauch macht.

"Da stelle mer uns janz dumm"

Werkgetreu an der Romanvorlage von Heinrich Spoerl (1887-1955) entlang brennen Rühmann und seine Lehrer ein schauspielerisches Feuerwerk ab. Generationen von Deutschen können bis heute die Zitate mitbeten, von der alkoholischen Gärung über "Pfeiffer, Sä faseln" und "Da stelle mer uns janz dumm" bis zu "Sä werden säch an eine strenge Scholzocht gewöhnen mössen."

Tatsächlich allerdings hat der Film - anders etwa als "Quax der Bruchpilot" (1941) oder gar "Jud Süß" (1940) - auch vergleichsweise wenig Nationalsozialistisches zu bieten, nimmt man mal den windschnittigen Lehrer Brett aus, der als Erziehungsstil darlegt, junge Bäume müsse man anbinden, damit sie "schön gerade wachsen".

Hitler und die Feuerzangenbowle

Reichserziehungsminister Bernhard Rust jedenfalls wollte den Film nicht zeigen lassen - weil er die Autorität des Lehrerstandes im Volke untergrabe. Heinz Rühmann persönlich eilte im Kriegswinter 1944 nach Ostpreußen, um den Führer umzustimmen. Mit einer Kopie seiner "Feuerzangenbowle" machte sich Rühmann auf den beschwerlichen Weg zum fast 700 Kilometer entfernten Führerhauptquartier "Wolfsschanze" - und verbrachte Stunden wartend in seiner Unterkunft - bis sein Förderer, Reichsmarschall Hermann Göring, den Führer gewonnen hatte.

"Bringt dieser Film die Leute zum Lachen?", soll Hitler gefragt haben. Und als Göring bejahte: "Dann soll er dem deutschen Volke gezeigt werden!" Schon drei Tage später, am 28. Januar 1944, war in Berlin Premiere. Am Vorabend hatten die Briten Tausende Tonnen Bomben über der Hauptstadt abgeworfen; ganze Wohnviertel wurden beschädigt oder zerstört.

Rühmann war "kriegswichtig"

Der Heile-Welt-Film wurde ein Kassenschlager - wie überhaupt die Zahlen an den Kinokassen in den letzten Kriegsjahren in die Höhe schnellten. Einige von Pfeiffers Schulkameraden erlebten das nicht mehr; sie wurden unmittelbar nach Drehschluss an die Front geschickt und fielen. Rühmann (1902-1994) dagegen war "kw" (kriegswichtig) und durfte den Erfolg auskosten.

Wo Erfolg ist, sind oft auch Rechtshändel nicht weit. Und davon gibt es gerade bei der "Feuerzangenbowle" eine ziemliche Menge. Einer betrifft auch die AfD. Cornelia Meyer zur Heyde (52), promovierte Volkswirtin aus Rostock und heute im AfD-Vorstand Münster, sicherte sich von Leo Kirch die Rechte für öffentliche Aufführungen des Films - während Kirch die TV- und DVD-Rechte behielt. Meyer zur Heyde kann nun den Daumen draufhalten. Historisch-kritische Aufführungen als "NS-Film" gefallen der Verleiherin nicht - und finden also nicht statt.


Quelle:
KNA