Brasilien ist Gastland der Buchmesse 2013

Land voller Stimmen

Zum Ende der Frankfurter Buchmesse richtet sich der Blick auf das kommende Jahr – und das kommende Gastland: Mit Brasilien steht ein - gemessen an Größe und publizistischem Ausstoß - kulturelles Schwergewicht vor der Tür. Alleine rund 80 Autoren werden dann in Deutschland lesen.

Autor/in:
Thomas Völkner
 (DR)

Die Frankfurter Buchmesse: Das ist auch jedes Jahr ein Gastland mit neuen, unbekannten Themen, Autoren und Büchern. Während in den Hallen gerade Literaten und Künstler aus Neuseeland gefeiert werden, steht mit Brasilien, dem Gastland 2013, ein gemessen an Größe und publizistischem Ausstoß kulturelles Schwergewicht vor der Tür. Als "Land voller Stimmen", das sich permanent neu erfinde und die unterschiedlichen Erfahrungen seiner Einwanderer kreativ verarbeite, wollen sich die Südamerikaner im kommenden Herbst präsentieren. Allein rund 80 Autorinnen und Autoren werden dann in Deutschland lesen.



Auch die Leipziger Buchmesse, die lit.COLOGNE und das Internationale Literaturfestival Berlin (ilb) werden Schwerpunkte auf die brasilianische Literatur legen. Hinzu kommen Kunstausstellungen, unter anderem zu Design, Architektur und Graffiti-Kunst, eine Schau zum deutschsprachigen Exil in Brasilien von 1933 bis 1945 sowie ein Galakonzert des Sinfonieorchesters Sao Paulo.



Politiker und Wirtschaftsexperten sind sich einig: Die zurückliegenden zehn Jahre waren für die Entwicklung Brasiliens von entscheidender Bedeutung. 2011 wies der Staat bereits das sechstgrößte Bruttoinlandsprodukt weltweit auf. Etwa 30 Millionen Brasilianer wurden in den vergangenen 20 Jahren aus der Armut herausgeführt, das Pro-Kopf-Einkommen verdreifachte sich seit Beginn des Jahrtausends. Der Wirtschaftsboom eröffnete auch bis dahin ungeahnte Möglichkeiten zur Förderung von Kunst und Kultur.



Man wolle diesen kulturellen Reichtum dem Rest der Welt bekannt machen, so der Direktor des Organisationskomitees, Galeno Amorim, am Donnerstag bei der Vorstellung des Gastauftritts für 2013. Im Zentrum der Anstrengungen steht ein Programm zur Übersetzung brasilianischer Literatur. 142 Förderzusagen sind seit Mitte 2011 erteilt worden, über 20 davon an deutsche Verlage und Übersetzer. Bis zu 8.000 US-Dollar gewährt man pro Buchtitel, hinzu kommen Zuschüsse für Reise- und Veranstaltungskosten. Ein eigens konzipiertes Magazin für die Verlagsbranche stellt neue literarische Stimmen vor und übersetzt deren Texte auszugsweise.



Im Grunde könne man den Auftritt auf der Buchmesse in eine Reihe mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro stellen, meint Karine Pansa, die Vorsitzende des Verlegerverbands CBL. Vielleicht sei die weltgrößte Bücherschau sogar bedeutender als die Sportereignisse. Zum einen, weil man sich damit von dem lange vorherrschenden Image der sportverrückten Nation entferne, zum anderen, weil der Messeauftritt auf langfristige Wirkung angelegt sei. So beläuft sich die Gesamtsumme für die Literaturförderung bis 2020 auf 35 Millionen US-Dollar.



Wenn bald zahlreiche brasilianische Bücher übersetzt vorliegen, "schließt sich für die Leser in Deutschland eine Lücke", hofft Autor Milton Hatoum. Der vielzitierte "Lateinamerikaboom" habe nämlich vor allem spanischsprachige Schriftsteller bekannt gemacht, während die Brasilianer kaum beachtet würden.



Buchmesse-Direktor Jürgen Boos erinnert an die vielfältigen Verbindungen zwischen Brasilien und Deutschland, nicht nur von Buchhändlern und Verlagen. Schon Johann Wolfgang von Goethe habe eine brasilianische Hängematte besessen und das junge Land auf der anderen Seite des Atlantiks als Sehnsuchtsort betrachtet. Angesichts der rasanten Veränderungen sei er gespannt darauf, dem Wachstum einer Literatur zuzuschauen, die wie die Gesellschaft vor enormen Integrationsleistungen stehe. Auch Boos fordert zum Abschied von mehr oder weniger liebgewonnenn Klischees auf: "Lassen Sie die Schubladen zu!", so der Buchmessen-Chef. "Vergessen Sie Ipanema. Denken Sie nicht an Samba."