Bordseelsorger über seine Arbeit und Erfahrungen

"Für alle da und ansprechbar"

Auf Kreuzfahrten ist die Arbeit von Seelsorgern gefragt. Besonders wichtig ist sie für die mitfahrende Crew, die lange von der Heimat weg und häufig gläubig ist, sagt Wolfgang Sauer, der als Bordseelsorger arbeitet.

Autor/in:
Melanie Pies
 Kreuzfahrtgäste genießen am 03.05.2016 an Bord des Kreuzfahrtschiffes "Mein Schiff 3" die Sonne auf dem Sonnendeck. / © Christian Charisius (dpa)
Kreuzfahrtgäste genießen am 03.05.2016 an Bord des Kreuzfahrtschiffes "Mein Schiff 3" die Sonne auf dem Sonnendeck. / © Christian Charisius ( dpa )

KNA: Herr Sauer, wie ist die Bordseelsorge in Deutschland organisiert?

Wolfgang Sauer (Geistliche Direktor der katholischen Journalistenschule (ifp) und gelegentlich Bordseelsorger): Es gibt in der Deutschen Bischofskonferenz ein eigenes Sekretariat für die Auslandsseelsorge. Einige Reedereien legen besonderen Wert auf das Angebot der Bordseelsorge. Dies geschieht abwechselnd zwischen einem katholischen und evangelischen Seelsorger. Die jeweilige Reederei stellt Listen zusammen, wo Bordseelsorge benötigt wird. Dann verständigen sich die Kirchen auf die Zuteilung der Seelsorger. Aus pastoraler Neugier habe auch ich mich dafür gemeldet. 

KNA: Welche Aufgaben hat ein Bordseelsorger?

Sauer: Das ist zum einen das Feiern von Gottesdiensten oder Andachten. Wichtig ist aber auch, dass man für alle da und ansprechbar ist. Das gilt für jegliche Begegnung. Wenn man an der Reling steht und sich jemand neben einen stellt und sagt: "Sie sind doch der Bordpfarrer. Könnte ich mal mit Ihnen über dies und jenes reden?"

KNA: Gibt es auch Herausforderungen?

Sauer: Weil immer nur der Vertreter einer Konfession da ist, muss man den Gottesdienst für alle anwesenden Konfessionen gemeinsam feiern. Nicht ökumenisch - dazu würde es ja den Seelsorger der anderen Konfession brauchen; sondern Gottesdienste, zu denen alle eingeladen sind. Ein guter Bordseelsorger spricht alle Menschen gleich an.

KNA: Wie sieht es auf See mit geeigneten Räumlichkeiten aus?

Sauer: Es gibt dort keine Kapelle und keinen eigenen Raum für Gespräche. Bislang konnte ich immer in einer Lounge auf einem der oberen Decks, die sonst für Unterhaltungsveranstaltungen reserviert waren, meine Andachten feiern. Einige Bedienstete von der Crew stellen dann die Sitzgelegenheiten so hin, dass es ein bisschen gottesdienst- und kirchenmäßig aussieht, mit einem Altar und einem Klavier. Meistens ist der Bordpianist auch bereit, den Gottesdienst zu begleiten.

KNA: Wie kommt das Angebot an?

Sauer: Ein Kreuzfahrtschiff ist natürlich keine schwimmende Kirche. Die meisten Urlauber wollen ferne Länder erleben und die Natur bewundern; sie denken bei der Reiseauswahl sicher nicht zuerst an die Bordseelsorge. Manchmal begegnen sie dort eher zufällig einem Seelsorger. Das wird als "Add on", als zusätzliches Angebot an Bord wahrgenommen - manchmal vielleicht aus Langeweile, oder doch aus einem gewissen religiösen Interesse heraus.

Meine Erfahrung ist, dass sich meist eine wachsende Schar Interessierter bei einer Morgenandacht versammelt - zum Beispiel in der Karibik-Lounge eines der Schiffe. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf das Meer - eine schöne Mischung aus Naturerlebnis und geistlicher Inspiration. 

KNA: Was ist mit der Besatzung?

Sauer: Mir war es von Anfang an wichtig, nicht nur mit den Touristen, die diese Reise bezahlt haben, in Kontakt zu kommen. Sondern auch mit denen "im Bauch des Schiffes", mit der großen Zahl von Crewmitgliedern. Meist kommen sie aus Ländern, in denen Billiglöhne bezahlt werden - Indonesien, Philippinen, oder auch aus dem karibischen Raum, nicht wenige von ihnen sind gläubig. Einmal konnte ich mit ihnen eine "Mitternachtsmesse" feiern. Die Crewmitglieder müssen ja lange arbeiten.

Dieser in Englisch zelebrierte Gottesdienst war eine sehr schöne Erfahrung. Ich habe gespürt, wie sehr diesen Menschen - aus einer Mischung von Heimweh und dem Wunsch nach Verbundenheit mit ihren weit entfernten Angehörigen - das gemeinsame Gebet geholfen hat. 

KNA: Eine bezahlte Kreuzfahrt - das klingt erst einmal nicht nach Arbeit... 

Sauer: Diese kritischen Stimmen gibt es immer. Aber bei all den Schönheiten, die man auf einer solchen Reise erlebt, dominiert doch das Prinzip "Arbeit". Man muss ja immer auf dem Sprung sein. Menschen, die an einem vorbeigehen, identifizieren einen als Bordseelsorger. Da liegt man nicht einfach im Liegestuhl und vertieft sich in einen Krimi. Ich sitze zum Beispiel zu den Mahlzeiten immer an verschiedenen Tischen, um mit vielen Leuten in Verbindung zu kommen - also ein missionarisches Prinzip: immer wieder aufgeschlossen sein für neue Begegnungen. Das sind sehr kostbare Erfahrungen. Sie zeigen mir, dass die Bordseelsorge, auch wenn sie nur einen kleinen Teil des seelsorgerlichen Tuns der Kirchen einnimmt, doch eine besondere Bedeutung hat - eine Nachhaltigkeit.

KNA: Inwiefern?

Sauer: Mit einigen Passagieren stehe ich noch immer in Verbindung. Etwa mit einer Schülerin, die mit ihrer Oma eine Kreuzfahrt zum Nordkap gemacht hat. Sie nahm regelmäßig an den Morgenandachten teil, weil ihr meine Gedanken offenbar gefallen haben. Auf dieser Kreuzfahrt haben wir uns viele Stunden unterhalten. Der Kontakt zu dieser evangelischen Christin hat bis über ihr Abitur hinaus gehalten. Vielleicht kann man auf hoher See tiefere Einsichten mitnehmen als im Alltag.


Quelle:
KNA