Bonner Jesuitenschule legt Leitlinien gegen Missbrauch vor

Angst- und gewaltfreies Lernen

Das Bonner Aloisiuskolleg hat einen Leitfaden zur Prävention von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorgestellt. Sie sind das Ergebnis von Diskussionen mit Schülern, Eltern, Lehrern, Opfern und Experten von außen. Die Gespräche beschrieb die Schule als "äußerst fruchtbar". Obwohl die Beziehungen zu den Opfer-Vertretern nicht immer spannungsfrei sind.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Hoch über dem Rheintal bei Bonn liegt sie: die "Stella Rheni". Wo einst der Dichter Rainer Maria Rilke Verse niederschrieb, steht heute eines der wohl schönsten Internate Deutschlands, geführt von den Jesuiten. Doch der imposante Prachtbau aus dem 19. Jahrhundert hat auch eine dunkle Seite.



Hauptbeschuldigter war langjähriger Direktor

Hier wirkte der inzwischen verstorbene Hauptbeschuldigte im Missbrauchsskandal an dem Bonner Gymnasium Aloisiuskolleg. Zu Lebzeiten galt der langjährige Direktor und Erzieher vielen als prägende Gestalt des Kollegs - und er war unter anderem verantwortlich für den Umbau und Erhalt der "Stella".



Nicht ohne Grund wählte die aktuelle Schulleitung diesen symbolträchtigen Ort, um am Freitag ihren Leitfaden zur Verhinderung von sexuellem Missbrauch vorzustellen. Das Gymnasium ist damit die erste deutsche Jesuitenschule, die über ein derartiges ausformuliertes Präventionskonzept verfügt. Wobei, wie alle Verantwortlichen betonen, auch die anderen Einrichtungen des Ordens, in Sankt Blasien im Schwarzwald und das Canisius-Kolleg in Berlin, seit längerem Maßnahmen im Kampf gegen den Missbrauch ergriffen haben.



Damit Schüler "angst- und gewaltfrei leben können"

Mit den Arbeiten an dem 23-seitigen Dokument wurde im März, auf dem Höhepunkt der Krise begonnen. Außer Schülern, Eltern und Lehrern bemühte sich das Aloisiuskolleg auch um die Einbindung von Opfern sowie Experten von außen. "Die Diskussionen waren äußerst fruchtbar und sind in vielfältiger Weise in den Text eingeflossen", fasst Kolleg-Sprecher Robert Wittbrodt die Atmosphäre der Gespräche zusammen - obwohl die Beziehungen zu den Opfer-Vertretern nicht immer spannungsfrei sind. Und auch Direktor Bernd Wißmann hofft, dass der Leitfaden eine Basis bildet, um ein "Klima der Offenheit und Transparenz" zu schaffen, in dem die Schüler "angst- und gewaltfrei leben und lernen können".



Das Papier will einerseits über Formen sexualisierter Gewalt informieren. Andererseits enthält es Handlungsanweisungen, wie bei Fällen von sexuellem Missbrauch zu reagieren ist. Bei einem begründeten Verdacht sollen demnach das Jugendamt, die Strafverfolgungsbehörde, Schulaufsicht und die Ordensleitung informiert werden. Lehrer und Erzieher verpflichten sich zudem, das Thema Missbrauch inner- und außerhalb des Unterrichts aufzugreifen.



Neue Leitlinien treten ab sofort in Kraft

Vorgesehen ist ferner die Einrichtung einer externen Ombudsstelle, an die sich Schüler richten können, ebenso wie eine regelmäßige Qualitätskontrolle zur Umsetzung des Präventionskonzepts durch auswärtige Prüfer.



Die neuen Leitlinien treten laut Wittbrodt ab sofort in Kraft. Geplant ist, die Maßnahmen, sofern sie nicht schon in der Umsetzung sind, bis Ende des laufenden Schuljahrs zu realisieren. Unterdessen läuft die juristische Aufarbeitung des Missbrauchsskandals weiter.



Ergebnisse werden im Februar vorliegen

Noch bis zum 15. Dezember können sich Opfer aus dem Aloisiuskolleg bei der Untersuchungskommission unter Vorsitz der Kölner Sozialrechtlerin Julia Zinsmeister melden. Endgültige Ergebnisse sollen im Februar vorliegen. Angesichts der Fülle an Vorwürfen hat die Kommission die Veröffentlichung nach hinten verschoben.



Laut dem Anfang November präsentierten Zwischenbericht ist die Zahl der Beschuldigten inzwischen auf 15 Ordensmitglieder und drei Laienmitarbeiter gestiegen. Auch die Zahl der Schüler, die von Grenzverletzungen berichteten, stieg von 30 auf 67. Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um Opfer sexueller Grenzverletzungen. Es geht auch um Jugendliche, die über körperliche Misshandlungen wie Schlagen oder Einsperren berichten.



Frage nach Entschädigungen bleibt

Wenn Julia Zinsmeister ihre Arbeiten abgeschlossen hat, wird wohl die Frage nach Entschädigungen erneut in den Vordergrund rücken. Die Jesuiten wollen dabei allerdings keinen Alleingang an der Deutschen Bischofskonferenz vorbei unternehmen, wie Ordenssprecher Thomas Busch betont. Als "Zeichen der Sühne und Genugtuung" ist offenbar an eine Summe im vierstelligen Bereich pro Opfer gedacht. Die Verantwortlichen im Aloisiuskolleg hoffen auf eine baldige Entscheidung. "Das wäre ein wichtiger Schritt", sagen sie.