Blogger Badawi bleibt in Saudi-Arabien in Haft

Ikone der Meinungsfreiheit

Ein getöteter Journalist, eine junge Frau auf der Flucht: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sorgt immer wieder für Kritik. Nun jährt sich die Auspeitschung des saudischen Bloggers Raif Badawi zum vierten Mal.

Autor/in:
Paula Konersmann
Kampf für die Meinungsfreiheit / © Paul Zinken (dpa)
Kampf für die Meinungsfreiheit / © Paul Zinken ( dpa )

Für Rahaf Mohammed al-Kunun könnte es ein Happy End geben. Die 18-Jährige, die während eines Familienurlaubs flüchtete, muss vorerst nicht in ihr Heimatland Saudi-Arabien zurückkehren. Andere junge Frauen, die in den vergangenen Jahren zurückgeschickt wurden, sind seither verschwunden oder in Haft. Menschenrechtler feiern Rahaf als Freiheitskämpferin - und erinnern zugleich an den Blogger Raif Badawi. Dessen öffentliche Auspeitschung jährt sich an diesem Mittwoch zum vierten Mal. Sein Schicksal ist ein wenig in den Hintergrund getreten; dennoch gilt der 34-Jährige als eine zeitgenössische Ikone der Meinungsfreiheit.

Die Stockhiebe sind Teil einer drakonischen Strafe: 2012 verurteilte ihn ein Gericht in seiner Heimat Saudi-Arabien wegen "Beleidigung des Islam" unter anderem zu zehn Jahren Gefängnis, 1.000 Hieben und einer Geldstrafe von umgerechnet 250.000 Euro. Auf seinem 2008 gegründeten Internetportal "Die saudischen Liberalen" hatte er politische und religiöse Entscheidungen sowie Institutionen in dem streng islamischen Königreich kommentiert und kritisiert.

Erst Hoffnung, dann Sorge

Menschenrechtler und westliche Politiker setzen sich seit Jahren für seine Freilassung ein. 2015 erhielt Badawi in Abwesenheit den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des EU-Parlaments. Badawis Ehefrau Ensaf Haidar kämpft um ihren Mann. Die zierliche Frau, die im kanadischen Exil lebt, hat Bücher geschrieben, eine Stiftung gegründet und Preise für den Inhaftierten entgegengenommen. Hoffnung schöpfe sie angesichts von Reformen in Saudi-Arabien, sagte sie im vergangenen Herbst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Auch Gespräche zwischen saudischen Menschenrechtlern und dem EU-Parlamentarier Josef Weidenholzer hatten Beobachter als positives Signal gedeutet. Im vergangenen Jahr schaltete sich zudem Kanadas Premierminister Justin Trudeau in den Fall ein. Daraus erwuchs ein diplomatischer Konflikt: Im August legte das Königreich die Handelsbeziehung zu Kanada auf Eis und wies den kanadischen Botschafter aus.

Zuletzt zeigte Haidar sich eher besorgt. "Raif ist sehr deprimiert", sagte sie in einem Interview. Er habe Probleme mit den Nieren und sei psychisch in einem schlechten Zustand. Im Fall seines Todes wünsche sich ihr Mann, dass sein Leichnam nach Quebec überführt werde. Informationen zu seinem Fall bekomme die Familie nicht. Das Paar hat drei Kinder im Alter von 10, 13 und 14 Jahren.

Verletzung der Menschenrechte an der Tagesordnung

Eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit ist in der Region keine Seltenheit. Das beklagen Experten seit langem: Die Strafe gegen Badawi sei nur die Spitze des Eisbergs, "ein Auswuchs der systematischen Unterdrückung jeder abweichenden Meinung", so formulierte es einmal der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr.

Amnesty International verweist auf zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverteidigern, die in Saudi-Arabien "nach grob unfairen Gerichtsverfahren" inhaftiert seien, weil sie sich für Meinungs-, Versammlungs- und Verfahrensfreiheit eingesetzt hätten.

Jüngster Fall: Khashoggi

Die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im vergangenen Oktober in der saudischen Botschaft in Istanbul hat den Blick einmal mehr auf die zugespitzte Lage in Saudi-Arabien gelenkt. Von dem Leichnam des Reporters, der als Kritiker des Kronprinzen Mohammed bin Salman galt, fehlt bis heute jede Spur. Sein Fall zog auf politischer Ebene indes Konsequenzen nach sich: So stellte Deutschland im November für vorerst zwei Monate alle Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien ein.

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen sitzen rund die Hälfte der weltweit für ihre Arbeit inhaftierten Journalisten in Gefängnissen von fünf Ländern. Darunter: Saudi-Arabien. Auf der Rangliste für Pressefreiheit, die die Organisation alljährlich veröffentlicht, landete das Königreich im Dezember auf Platz 169 von 180.

Ihre Kinder litten unter der Trennung vom Vater, sagt Ensaf Haidar: "Es gibt keine Worte, um das zu erklären." Zugleich betont sie immer wieder ihre Hoffnung. Auf die Frage, was sie im Fall der Freilassung Badawis tun würde, entfährt ihr eine Mischung aus Lachen und Seufzen: "Oh", sagt sie, "inshallah!"


Die Frau des inhaftierten saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi, Ensaf Haidar, zeigt im EU-Parlament in Straßburg ein Bild ihres Mannes / © Patrick Seeger (dpa)
Die Frau des inhaftierten saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi, Ensaf Haidar, zeigt im EU-Parlament in Straßburg ein Bild ihres Mannes / © Patrick Seeger ( dpa )

Rahaf Mohammed al-Kunun in einem Hotelzimmer am internationalen Flughafen in Bangkok / © Rahaf Mohammed al-Kunun/Human Rights Watch/AP (dpa)
Rahaf Mohammed al-Kunun in einem Hotelzimmer am internationalen Flughafen in Bangkok / © Rahaf Mohammed al-Kunun/Human Rights Watch/AP ( dpa )

Der getötete saudische Journalist Jamal Khashoggi / © Hasan Jamali (dpa)
Der getötete saudische Journalist Jamal Khashoggi / © Hasan Jamali ( dpa )
Quelle:
KNA