oder: Für Blaubeerpfannkuchen ist man nie zu erwachsen

Blaubeeren 2.0

„Familienurlaub wäre schön“, stellt der Große beiläufig fest.

Wald in Deutschland / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Wald in Deutschland / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

Ich freue mich. Sehr sogar. Was wünschst Du Dir denn, frage ich, sicher nicht ganz so beiläufig, zurück. „Schweden, so wie damals.“

Schweden, so wie damals, ist dreizehn Jahre her. Drei Wochen Wald und See und Blaubeeren. Mit Papa eine ganze Nacht draußen auf einer Insel schlafen. Mit Mama durch einen ganzen See schwimmen.

Die Blaubeermarmelade, die wir in Schweden einkochten, hatte ich jahrelang im Küchenregal stehen. Fiel mein Blick darauf, roch die ganze Küche nach Wald und See und Blaubeere. Und nach Sommerglück.   

Schweden also. Und alle wollen mit. Tatsächlich: für bezahlbares Geld finden wir eine wunderbare Unterkunft: ein altes Haus, gebaut von schwedischen Apothekern, später bewohnt von berühmten schwedischen Künstlern, heute eine Kulturstiftung.

Haus und Gelände liegen, direkt, am See. Mit Badesteg. Und Boot.

Der Große springt mit großen Freudensprüngen ins Boot, fährt sofort los, Fischen. Die Große legt sich wohlig auf den Steg, meinem Mann entwischt ein überraschtes: Wow!, der Hund trinkt den See leer und ich sitze auf einem Stein und mir gehen die Augen über. Vor so viel Seeschönheit.

Eine Woche lang schenkt das Leben uns diesen Ort. Eine Woche lang sind wir, noch einmal, Familie.

Eine Woche vor dem großen Abschied. Der Große wandert aus. Nein, nicht wirklich. Fühlt sich nur so an. Er will für ein Jahr nach Australien. Studieren.

Da ist nichts mit Besuchen. Da ist nichts mit in den Semesterferien oder zu Weihnachten nach Hause kommen. Da ist weg mal so richtig: weg. Der Große ist jetzt 21. Nicht nur volljährig. Auch erwachsen geworden in seinen ersten Studienjahren.

„Denn die Familie, die wir waren, gibt es bald nicht mehr.“ Diesen Satz sagt, sinngemäß, der Protagonist in einem Roman von Dirk Brall, als die Kinder flügge werden.  Schon beim Lesen, schnitt mir die Wahrheit dieser Worte wie ein Messer ins Herz.

Damals hüpften meine Kinder durch den Garten und an meiner Hand durchs Leben. Aber ich wusste: so wird es irgendwann auch bei uns sein.

Irgendwann ist: jetzt.  

Wenn der Große in einem Jahr zurückkommt, wird er ein anderer sein. In einem Jahr werde ich, werden wir andere sein.

Im besten Fall puzzeln wir uns dann neu zusammen. Als Erwachsene.

Einstweilen habe ich die Blaubeeren von diesem Jahr eingefroren.

Für Blaubeerpfannkuchen ist man nie zu erwachsen.