Blau-gelber Christus gegen Ukraine-Krieg sorgt für Aufsehen

"Hört auf mit diesem Krieg"

Riesengroß und blau mit gelbem Lendenschurz. So hängt eine Christusfigur in der Münchener Kirche Sankt Maximilian. Ein klares Zeichen gegen den Krieg, sagt Pfarrer Rainer Maria Schießler und wehrt sich gegen Blasphemie-Vorwürfe.

Blauer Christus mit gelbem Lendenschurz vom Künstler Harry Seeholzer in München / © Robert Kiderle (KNA)
Blauer Christus mit gelbem Lendenschurz vom Künstler Harry Seeholzer in München / © Robert Kiderle ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sieht diese Figus aus? 

Pfarrer Rainer Maria Schießler (Pfarrer in Sankt Maximilian München): Sie ist aus einem Eichenstamm, sieben Meter hoch. Dieser Eichenstamm fädelt sich dann ungefähr im oberen Drittel auf - das sind dann die zwei nach oben gereckten Arme Jesu. Der Künstler Harry Seeholzer hat ihn mit einer Motorsäge bearbeitet und blau gemacht. Die Figur war aber immer schon blau und sollte eigentlich in Tirol in einem Wasserfall hängen. Das hat irgendwie nicht hingehauen - vielleicht aus Naturschutzgründen, ich weiß es nicht. Er hat mir diese Figur schon vor ein paar Jahren mal angeboten, aber da hatten wir schon Installationen in der Kirche.

Dann hat er sie mir Anfang des Jahres nochmal angeboten. Da gab es den Ukraine-Krieg noch nicht.

Pfarrer Rainer Maria Schießler, Pfarrer in Sankt Maximilian München

"Christus ist kein politisches Symbol, so wie man eine Brücke oder ein Rathaus anstrahlen kann."

Stadtpfarrer Rainer M. Schießler (KNA)
Stadtpfarrer Rainer M. Schießler / ( KNA )

Jetzt hat es genau zeitlich zusammengepasst. Der Krieg hat angefangen, die Figur ist gekommen, blau wie eh und je. Da haben natürlich einige den Gedanken gehabt, vielleicht könnte man die Hälfte der Figur gelb machen. Da haben wir gleich gesagt: "Nein, Christus ist kein politisches Symbol, so wie man eine Brücke oder ein Rathaus anstrahlen kann."

Dann ist uns ein Bild aufgefallen, das uns sehr beeindruckt hat. Das zeigt eine alte Frau in der Moskauer U-Bahn, die trägt eine blaue Jacke und einen gelben Schal. Damit hat sie wortlos gegen diesen Krieg demonstriert, was ja jetzt lebensgefährlich ist in Russland.

Deshalb hat jemand die Idee gehabt: Dann machen wir einen Lendenschurz in gelb. Das heißt, das ist eine Art steifes Papier, was man wieder wegnehmen kann. Wie diese Frau in der U-Bahn ist dieser Christus jemand, der ganz deutlich gegen diesen Krieg protestiert. Das hat uns gefallen und da sind wir stolz drauf. 

DOMRADIO.DE: So hängt er jetzt in Sankt Maximilian. Das reale Vorbild haben Sie schon beschrieben, diese mutige alte Frau aus der Moskauer U-Bahn. Was sagen denn die Leute in der Gemeinde? Haben die überwiegend positiv reagiert? 

Schießler: Nur. Natürlich hat es auch negative Stimmen in den Sozialen Medien gegeben. Aber das sind lauter Leute, die nie vor Ort waren. Wir haben am Samstag ein ganz großes Benefizkonzert gehabt, mit Werner Schmidbauer (deutscher Fernsehmoderator, Musiker und Liedermacher, Anm. d. Red.) und Fany Kammerlander (professionelle Cellistin, Anm. d. Red.) und haben viel Geld gesammelt.

Wir wollen uns hier vor allem damit beschäftigen, dass die ukrainischen Kinder eine Betreuung bekommen. Und in der Mitte dieser angestrahlte Christus. Die Leute sind zu Tränen gerührt. Das ist eine Wucht, was diese Figur ausstrahlt und kein politischer, populistischer Akt, sondern das ist was ganz Besonderes für uns.

Zum Schluss haben wir dann von Marlene Dietrich "Sag mir, wo die Blumen sind" gesungen. Die Leute haben reihenweise geweint. Also, man muss schon verstehen, da werden extrem die Gefühle beansprucht.

DOMRADIO.DE: Sie sage, das sei nicht populistisch. Trotzdem gab es wahrscheinlich auch vor allem auf Social Media Stimmen, bei denen auch das Wort blasphemisch gefallen. Was sagen Sie denn dazu? 

Pfarrer Rainer Maria Schießler, Pfarrer in Sankt Maximilian München

"Hier betreibt keiner Blasphemie, da kann ich wirklich beruhigen. Ich schaue schon auf meine Leute."

Schießler: Wenn mir jemand schreibt, ich solle mir dieses "Trumm aufs Klo hängen", dann finde ich das blasphemischer als diese Figur. Ich würde nie eine Christusfigur als "Trumm" bezeichnen, die man aufs Klo hängen soll. Man muss immer wissen, wer kritisiert. Wir sind für alle Kritik offen. Wenn es konstruktiv ist, kann man vielleicht Dinge verändern, so wie wir auch diskutiert haben: Wie machen wir das mit der gelben Farbe? Aber so geht man auch nicht mit der Gemeinde um, die ein Zeichen setzen will. Also, hier betreibt keiner Blasphemie, da kann ich wirklich beruhigen. Ich schaue schon auf meine Leute. 

DOMRADIO.DE: Die Botschaft dieses blau-gelben Christus liegt eigentlich auf der Hand. Aber vielleicht sagen Sie noch mal, was ist das für ein Zeichen? 

Schießler: Hört auf mit diesem Krieg! Lasst dieses Land, das in Freiheit leben will, leben. Landesbischof Bedford-Strohm hat es in einer Talk-Diskussion letzte Woche auf die Frage hin, warum lässt Gott das zu, eigentlich schön formuliert. Er hat gesagt: "Der liebe Gott schießt keine Raketen ab. Er sitzt mit den Leuten im Luftschutzbunker und wartet, dass das vorbeigeht". 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR