Bistümer kontrollieren Missbrauchstäter nur unzureichend

WDR-Recherche zu sexualisierter Gewalt

Laut einer Umfrage des WDR in allen 27 katholischen Bistümern werden Missbrauchstäter zum Teil nur unzureichend kontrolliert. Die Diözese Essen sticht als positives Beispiel heraus, das Erzbistum Köln als negatives.

Symbolbild: Missbrauch in der katholischen Kirche / © Strong Pictures (shutterstock)
Symbolbild: Missbrauch in der katholischen Kirche / © Strong Pictures ( shutterstock )

Lediglich in Essen, Osnabrück, München und Dresden gebe es Personen außerhalb der Kirche, die übergriffige Priester kontrollierten, wenn diese etwa die Auflage hätten, eine Therapie zu machen und sich Kindern nicht mehr zu nähern.

In Essen übernehme das eine Art Bewährungshelfer, der Täter mehrmals wöchentlich besuche. An anderen Orten gebe es Kommissionen, die die Kontrolle der Täter überwachten. Sie bestünden aus Experten wie Juristen oder Psychologen.

In einem Bistum, so der WDR, gebe es bisher keinerlei Kontrolle: in Köln. Das Erzbistum Köln hatte kürzlich erklärt, eine "Kommission zur Kontrolle beschuldigter und straffällig gewordener Kleriker" arbeite aktuell daran, die Kontrolle zu verbessern.

Elf Bistümer lassen Vorgesetzte informieren

In elf weiteren Bistümern, so der WDR weiter, werde lediglich ein Vorgesetzter, etwa ein Kreisdechant oder ein Priester im Ort, informiert, oder es fänden Gespräche mit Mitarbeitern des Bistums statt. Die Beauftragten seien aber nicht speziell dafür ausgebildet. Die Gespräche fänden zum Teil nur ein- oder zweimal jährlich statt. Das Bistum Mainz verpflichte Beschuldigte nur dazu, sich ihrerseits beim Bistum zu melden. Von unangemeldeten Kontrollen sei dagegen nicht die Rede.

Insgesamt, so der Sender, hätten 24 von 27 Bistümern die Fragen nach der Kontrolle von übergriffigen Priestern beantwortet. Das Bistum Fulda habe nicht reagiert, die Bistümer Passau und Paderborn hätten keine Angaben gemacht. In den Bistümern Berlin und Görlitz hätten die Pressestellen angegeben, dort lebten derzeit keine Täter, die kontrolliert werden müssten.

Im kürzlich zu Ende gegangenen Prozess gegen einen Priester aus Köln war herausgekommen, dass es zu weiteren Taten gekommen war, auch nachdem das Erzbistum Köln schon vom Verdacht des Missbrauchs wusste.

Eine der Rechtsanwältinnen im Prozess, Martina Lörsch, sagte dem WDR, dass es nicht ausreiche, einen vorgesetzten Priester zu informieren. Der sei "in der Regel damit vollkommen überfordert". Es fehle dann an Wissen, beispielsweise über Täterstrukturen oder Dynamiken zwischen Tätern und potenziellen Opfern, kritisierte sie. "Das müsste normalerweise jemand kontrollieren, der sich auch damit auskennt."

Kritik von Kirchenrechtler

Kirchenrechtler Bernhard Anuth sagte dem WDR, dass man hier sehen könne, dass eine bessere Kontrolle vielleicht weitere Opfer hätte verhindern können: "Viele Bischöfe sind sich noch nicht der Verantwortung bewusst, die sie in der Opferfürsorge tragen."

Zwei Nebenklägerinnen im Prozess, die Nichten des Priesters, sprachen gegenüber dem WDR von "absolutem Unverständnis". Man habe spätestens seit 2010 in der Kirche gewusst, dass es Verdachtsfälle gebe.

Verpflichtet sind die Kirchen zu einer Kontrolle als Arbeitgeber. Denn Priester bleiben auch bei einer Beurlaubung oder im Ruhestand noch Angestellte der Kirche. Anders ist das allerdings, so das Bistum Würzburg, wenn Missbrauchstäter aus dem Klerikerstand entlassen würden. Auf diese Täter hätten die Bistümer keinerlei Zugriff mehr.

Synodaler Weg plant "Schuldbekenntnis" zu Missbrauch

Vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsgutachten plant das katholische Reformvorhaben Synodaler Weg einen Arbeitskreis zum Thema "Schuldbekenntnis". Bei der Synodalversammlung in Frankfurt bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, das Gutachten aus München und Freising als "Beben". Er fügte hinzu: "Es wird nicht das letzte gewesen sein – andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen."

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA