Bischofskonferenz würdigt Nostra Aetate in Berlin

"Was Menschen gemeinsam ist"

Es war der kürzeste Text des Zweiten Vatikanischen Konzils - und hat die stärkste Debatte nach sich gezogen, bis heute: "Nostra Aetate", die Erklärung der Katholischen Kirche über ihr Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen. Sie ebnete den Weg zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel.

 (DR)

Es war der kürzeste Text des Zweiten Vatikanischen Konzils - und hat die stärkste Debatte nach sich gezogen, bis heute: "Nostra Aetate", die Erklärung der Katholischen Kirche über ihr Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen. Sie ebnete den Weg zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel. Am Donnerstag wurde (um einige Monate verspätet) dem 40. Jahrestags des Konzilstextes gedacht. In Berlin waren dazu unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Shimon Stein, zusammengekommen.

"Antisemitismus ist Sünde gegen Gott und die Menschen"
Beim Festakt rief Lehmann dazu auf, im Kampf gegen Antisemitismus die Verwurzelung der Kirche im Judentum stärker ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Es gehe um einen nachhaltigen Bewussteinswandel, so Lehmann.

Der Berater der Bischofskonferenz in Fragen des Judentums, Hans Hermann Henrix, sagte, die jüdische Religion sei für die Kirche nicht etwas "Äußerliches", sondern gehöre zum Inneren der christlichen Religion. "Der Antisemitismus ist eine Sünde gegen Gott und die Menschen", so der Theologe.

Henrix bezeichnete den christlich-jüdischen Dialog als Testfall für die kirchliche Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen religiösen Traditionen. Die Impulse des Papiers "Nostra Aetate", das das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und insbesondere zum Judentum thematisiert, seien unerschöpft. Es sei bedauerlich, dass an den theologischen Fakultäten nur vereinzelt Institute für jüdisch christliche Forschung existierten.

Zur Geschichte der "Nostra Aetate"
Die Erklärung "Nostra Aetate" wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 verabschiedet. Darin wird die über Jahrhunderte verbreitete Ansicht von der Schuld der Juden am Kreuzestod Christi verworfen. Papst Benedikt XVI. sagte im vergangenen Jahr, die Konzilsväter hätten "das besondere Band zwischen Christen und Juden" betont. Zugleich werde in der Erklärung die Hochachtung der Christen vor Muslimen und Andersgläubigen zum Ausdruck gebracht. Jede Form von religiöser Diskriminierung und Verfolgung werde aufs Schärfste verurteilt.

Kernsätze aus der "Nostra Aetate"
"In unserer Zeit, da sich das Menschengeschlecht von Tag zu Tag enger zusammenschließt und die Beziehungen unter den verschiedenen Völkern sich mehren, erwägt die Kirche mit um so größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie zu den nichtchristlichen Religionen steht. Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern, faßt sie vor allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt."

"Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist. Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen."

Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.

„So wird also jeder Theorie oder Praxis das Fundament entzogen, die zwischen Mensch und Mensch, zwischen Volk und Volk bezüglich der Menschenwürde und der daraus fließenden Rechte einen Unterschied macht."

Im domradio-Interview Prof. Erwin Dirscherl, der Nachfolger auf dem Joseph Ratzinger-Lehrstuhl in Regensburg