Bischof von Charkiw berichtet vom Kriegsalltag

"Dass geschossen wird, ist jetzt normal"

Charkiw gehört zu den ukrainischen Städten, die besonders unter Beschuss stehen. Auch das Bischofshaus der römisch-katholischen Diözese von Charkiw-Saporischschja war vor einer Woche von einem Bombenprojektil getroffen worden.

Zwei ältere Frauen in Charkiw / © Diego Herrera (dpa)
Zwei ältere Frauen in Charkiw / © Diego Herrera ( dpa )

Der katholische Bischof von Charkiw, Pavlo Honcharuk, hat die derzeitige Lage in seiner ukrainischen Stadt unter Beschuss als eine "traurige Realität" beschrieben.

Der zentrale Platz von Charkiw liegt nach dem Beschuss des Rathauses in Trümmern. / © Pavel Dorogoy/AP (dpa)
Der zentrale Platz von Charkiw liegt nach dem Beschuss des Rathauses in Trümmern. / © Pavel Dorogoy/AP ( dpa )

"Es wird dauernd geschossen, das ist jetzt normal. Alles bebt, und es ist sehr laut", sagte der Kirchenmann dem in München ansässigen päpstlichen Hilfswerk Kirche in Not (Donnerstag). Die Fenster klirrten ständig, als würden gleich die Scheiben herausfallen. "Es ist sogar verdächtig, wenn es ruhig ist. Dann wissen wir nicht, was kommt."

Katholiken und Orthodoxe beten gemeinsam

Nach Honcharuks Worten sitzen die Menschen in Bunkern und Schutzkellern. Regelmäßig besuchten er und andere Priester sie in U-Bahn-Stationen, wo sie auf Bahnsteigen und in den Waggons Schutz suchten und schliefen. "Wir beten dort gemeinsam: Katholiken und Orthodoxe gemeinsam." Auch humanitäre Hilfe wie Medikamente, Essen und Windeln erreiche sie noch in kleinen Bussen oder Autos. Diese kämen auf den Straßen besser durch als Lkw.

Bischof Honczaruk und der orthodoxe Bischof Mytrofan besuchen einen Verletzten / © Kirche in Not  (KiN)
Bischof Honczaruk und der orthodoxe Bischof Mytrofan besuchen einen Verletzten / © Kirche in Not ( KiN )

Die Krankenhäuser könnten noch arbeiten, versichert der Bischof. "Wir konnten auch Windeln an das psychiatrische Krankenhaus liefern, wo Menschen mehrere Tage ohne Hygieneartikel auskommen mussten." Die Kirche organisiere soweit möglich Hilfe: "Das ist jetzt unsere Mission." Vor allem aus der Westukraine träfen viele Hilfsgüter aus ganz Europa über die polnische Grenze ein. Das sei ein schönes Zeichen von Solidarität.

Männer verabschieden sich von Frau und Kindern

Ergreifende Szenen spielen sich laut Honcharuk am Bahnhof der Stadt ab. "Da kein Mann zwischen 18 und 60 Jahren das Land verlassen darf, verabschieden sich die Männer von ihren Frauen und Kindern, nicht wissend, wann und ob sie sich überhaupt jemals wiedersehen werden." Er sehe viel Traumatisierung in den Augen und in den Gesichtern, berichtet der Bischof. Nach dem Krieg gebe es sicher viele psychische Krankheiten.

Kirche in Not

KIRCHE IN NOT ist ein pastorales Hilfswerk, das sich rein aus Spenden finanziert. Es hilft vor allem bei der Aus- und Weiterbildung von Seminaristen, Priestern und Ordensleuten, bei Bau und Renovierung von Ausbildungsstätten und Kirchen, beim Übersetzen und Verlegen der Bibel und anderer religiöser Literatur und bei der Ausstrahlung religiöser Rundfunkprogramme.

KIRCHE IN NOT / Ostpriesterhilfe Deutschland e. V. (KiN)
KIRCHE IN NOT / Ostpriesterhilfe Deutschland e. V. / ( KiN )
Quelle:
KNA