Bischof Müller zur aktuellen Lage der Kirche

"Ich sehe die Situation nicht negativ"

Missbrauchsskandal, Mixa, Konkordat - im Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußert sich der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller zu den Kirchenthemen des Jahres. Dabei kritisiert er seinen Münchner Amtskollegen und macht sich für ein neues Verhältnis von Staat und Kirche stark.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

In dem Gespräch in der Dienstagsausgabe (03.08.2010) sagte Müller zur Missbrauchsdebatte, die Kirche habe sich früher "zu wenig um die Opfer gekündigt". Man würde sich heute darum bemühen, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. So werde man die Kosten für Therapien übernehmen, so der Täter nicht mehr selber zu Verantwortung gezogen werden kann.

Gleichzeitig warnte der Bischof generell vor Vorverurteilungen. "Tausende von Priestern und Laien, die gut arbeiten, verdienen keine Kollektivbeschuldigung." Die letzten Monate hätten dazu beigetragen, "dass Menschen mit lockerer Verbindung zur Kirche ausgetreten sind". Andere Christen dagegen setzten sich nun "erst recht" ein. "Ich sehe die Situation nicht negativ. Wir haben gute Leute in den Priesterseminaren und auch ein hervorragendes Engagement der Laien. Vielleicht wird unsere Herde kleiner, aber nicht verzagter."

Ettal und Mixa
Den Münchner Erzbischof Reinhard Marx kritisierte er wegen dessen Vorgehen bei der Aufklärung. "Bei Personalentscheidungen muss immer die Gerechtigkeit an erster Stelle stehen. Ich würde niemanden opfern, nur um ein Problem weniger zu haben", bezog sich Müller auf das Verhalten von Marx im Fall des Klosters Ettal.

Dort hatte Marx dem Abt einen Rücktritt nahegelegt. Vor wenigen Wochen indes rehabilitierte der Vatikan Abt Barnabas Bögle und Prior Maurus Kraß, sie hätten gemäß den diözesanen Leitlinien bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch gehandelt. Nach dem Amtsverzicht der Beiden ist nun eine erneute Wahl möglich.

Auch den Rücktritt des wegen Prügelvorwürfen zurückgetretenen Bischofs Walter Mixa aus Augsburg hält Müller für nicht gerechtfertigt. Es habe sich um "öffentlich inszenierte Kritik" gehandelt. Nun stelle sich heraus, "dass die Vorwürfe gar nicht so gravierend sind, wie es mit dem vorgetäuschten Missbrauch nahegelegt wurde". Der Hauptvorwurf gegen Bischof Mixa, er habe Kinder missbraucht, sei schnell in sich zusammengefallen. "Das relativiert andere Vorwürfe"

Neues Konkordat
Das Konkordat zwischen der katholischen Kirche und dem Freistaat Bayern stellt der Regensburger Hirte grundsätzlich in Frage und will die Bezahlung der Bischöfe neu regeln. Es sehe so aus, als würden wir vom Staat bezahlt. "In Wirklichkeit handelt es sich aber nur um die Renditen aus den im Jahr 1803 enteigneten Kirchengütern." Die Dotierung der Bischöfe durch den Staat sei "ein ungelöstes Problem seit der Säkularisation". Die Kirche müsse deshalb jetzt ein eigenes Besoldungssystem aufbauen.

Müller ging damit erneut auf die Debatte über die 460 Millionen Euro ein, die die Bundesländer jedes Jahr an die beiden großen christlichen Kirchen überweisen. Müller wolle sowohl die Bezüge der Bischöfe als auch die Erhaltungskosten für die Kirchengebäude klar regeln und wieder in den Aufgabenbereich der Kirche überführen. Das könne man innerhalb der nächsten fünf Jahre "ordentlich hinbekommen", sagte er. "Mir geht es an erster Stelle um die Freiheit der Kirche, die eben bei aller bewährten Zusammenarbeit vom Staat unabhängig sein muss."