Bischof Kurt Koch wird Präsident des vatikanischen Einheitsrates

Heizer oder Kapitän?

Kurt Koch ist neuer Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Mit dem Bischof von Basel hat Benedikt XVI. den Richtigen an einen der Schalthebel der katholischen Kirche in Rom gesetzt: Die Verständigung der Religionen ist ein Lebensthema des Sechzigjährigen.

Autor/in:
Georges Scherrer
Erzbischof Kurt Kardinal Koch (KNA)
Erzbischof Kurt Kardinal Koch / ( KNA )

Auf einem Ausflugsschiff auf dem Thunersee wählte Bischof Kurt Koch einmal ein schönes Bild: "Ich dachte, ich sei im Bistum der Kapitän.
Ich habe aber den Eindruck, dass ich vor allem als Heizer tätig bin." Nicht immer hatte es der 60-Jährige leicht in seinem Bistum, musste "unten durch".

Koch, 1950 in Emmenbrücke bei Luzern geboren, studierte Theologie in Luzern und München. Nach seiner Priesterweihe 1982 wirkte er drei Jahre in der Pfarreiseelsorge in Bern. Nach Jahren als Dozent für Dogmatik, Moraltheologie und Liturgiewissenschaft wurde er 1995 zum Bischof von Basel ernannt und am 6. Januar 1996 von Papst Johannes Paul II. selbst zum Bischof geweiht. Seit 2002 ist Koch Mitglied des Päpstlichen Einheitsrates. Von 2007 bis 2009 war er Vorsitzender der Schweizer Bischofskonferenz. 2003 - ein Schlüsseljahr: Es brach der Streit mit dem Priester Franz Sabo aus Röschenz aus. Rom rechnete es Koch anscheinend hoch an, dass es ihm trotz der Schlammschlacht, die die Schweizer Medien inszenierten, gelang, Frieden mit Sabo zu schließen. Die Hemdsärmel musste Koch auch aufkrempeln, als er gegen Widerstände die zehn Bistumskantone zur besseren Organisation neu in drei Bistumsregionen einteilte.

Daneben verfasste Koch bis heute rund 60 Bücher und Schriften. 2006 erhielt er einen französischen Literaturpreis; Thema des Werkes: die Ökumene. In dem preisgekrönten Buch beschreibt Koch eine Wertekrise in Europa, die er auf ein "Verdunsten des Glaubens" zurückführt. Koch befürwortet eine christliche Kirche, die sich nicht auf sich selbst zurückzieht, sondern Gewissensfreiheit, Gastfreundschaft, Solidarität, soziale Gerechtigkeit und unverletzliche Würde jedes Einzelnen heraushebt. Als positive Elemente der heutigen Gesellschaft nennt der angehende Präsident des Einheitsrates die Öffnung zum Dialog und die Freundschaft. Koch geht davon aus, dass das Christentum auf eine "befruchtende Ökumene" zugeht.

"Kirche" und "Kirchen" als ökumenisches Kernproblem
2006 veröffentlichte er das Buch "Dass alle eins seien. Ökumenische Perspektiven". Darin nimmt er eine Standortbestimmung vor und sucht nach neuen Wegen in eine ökumenische Zukunft. Oberstes Ziel der Ökumene darf nach seiner Überzeugung nicht allein die gemeinsame Eucharistiefeier sein. Der "eigentliche Skandal" bestehe darin, "dass wir als Kirchen nach wie vor getrennt und als Christenheit gespalten sind". Seinen selbstverständlichen Ort in der Gemeinschaft der Christen werde das gemeinsame Abendmahl erst nach Überwindung dieser Trennung finden.

Koch äußert sich in dem Buch auch über die Begriffe "Kirche" und "Kirchen" als ökumenisches Kernproblem. Nach katholischem Verständnis existiert die eine universale Kirche in der Vielfalt der einzelnen Ortskirchen. Im Dialog mit anderen kirchlichen Gemeinschaften, insbesondere denen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, stelle sich deshalb die Frage nach dem Wesen der Kirche. Die Probleme der gegenseitigen Anerkennung kirchlicher Ämter und der eucharistischen Gemeinschaft sind seines Erachtens die "Brennpunkte des ökumenischen Dialogs". Größte Herausforderung an die Ökumene ist in Kochs Augen eine "postmoderne Grundhaltung", welche eine Anerkennung der Vielfalt und "versöhnte Verschiedenheit" als höchste erreichbare Ziele betrachtet.

Zu einem herben Dämpfer in der Ökumene kam es im Jahr 2000, als die Glaubenskongregation unter ihrem Präfekten Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., die Erklärung "Dominus Iesus" veröffentlichte und darin erklärte: "Es gibt also eine einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche subsistiert und vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird." Die Kirchen der Reformation fühlten sich vor den Kopf gestoßen, weil ihnen quasi die Kirchlichkeit abgesprochen wurde.

Schadensbegrenzung
Koch setzte sich für eine Schadensbegrenzung ein. Immer wieder betonte er, dass es nicht die Absicht des Vatikanschreibens gewesen sei, "die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften herabzusetzen oder zu diskriminieren". Schon gar nicht habe man Katholiken als bessere Christen hinstellen wollen. Die Hauptaussage sei vielmehr eine Selbstverständlichkeit für jeden ökumenisch Informierten: dass nämlich die reformatorischen Kirchen keine Kirchen seien in dem Sinn, wie die katholische Kirche "sich selbst versteht und von ihren Glaubensgrundlagen her verstehen muss".

Nun sitzt der Bischof von Basel in Rom an einem der Schalthebel der katholischen Kirche. Und vielleicht wird sich der künftige Kardinal, wenn es Wogen an der Kurie oder im Umgang mit anderen Kirchen zu glätten gilt, an jenen Satz erinnern, den er kurz nach seiner Bischofsweihe auf dem Thunersee sagte: "Ich dachte, ich sei der Kapitän. Ich habe aber den Eindruck, dass ich vor allem als Heizer tätig bin".