Bischof Kohlgraf fordert Debatte über künstliche Befruchtung

"Recht, seinen Erzeuger zu kennen"

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf vermisst in der deutschen Politik eine intensive Debatte über die gesellschaftlichen Folgen der modernen Fortpflanzungsmedizin. "Jeder Mensch muss das Recht haben, seine Erzeuger zu kennen".

Autor/in:
Karsten Packeiser und Jens Bayer-Gimm
Mikroskopische Aufnahme: Eine menschliche Eizelle wird injiziert / ©  Ralf Hirschberger (dpa)
Mikroskopische Aufnahme: Eine menschliche Eizelle wird injiziert / © Ralf Hirschberger ( dpa )

Wie Menschen mit dem Wissen umgehen, künstlich gezeugt zu sein, werde die Gesellschaft in Zukunft noch viel stärker beschäftigen als heute,  sagte Kohlgraf in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der katholische Bischof rechnet auch mit neuen Anläufen, die Leihmutterschaft zuzulassen: "Ich glaube, irgendwann wird es Menschen geben, die sich dafür bezahlen lassen", sagte er. "Was das für Kinder bedeutet, scheint mir bislang weder bedacht noch erforscht zu sein."

In den kommenden Jahren könne eine Aufgabe der Kirchen darin liegen, Diskussionen über solche, von der Politik bislang vernachlässigte Themen anzustoßen: "Es könnte so kommen, dass wir Kirchen nicht mehr nur als 'die Werteagentur' für den Staat wahrgenommen werden und nicht nur die Themen bedienen, die der Staat für wichtig hält, sondern selbst Themen setzen." Damit würden die beiden großen Kirchen auch künftig und trotz rückläufiger Mitgliederzahlen eine relevante gesellschaftliche Stimme bleiben.

Kohlgraf: Gemeinsames Beten von Protestanten und Katholiken

Wenige Tage vor dem 500. Reformationsjubiläum rief Kohlgraf Protestanten und Katholiken dazu auf, möglichst oft gemeinsam zu beten, diakonisch tätig zu sein und "Zeugnis für Christus zu geben." Chancen für einen Ausbau der Ökumene sieht er in den Schulen, wo zurzeit viel über für einen gemeinsamen Religionsunterricht in Regionen nachgedacht werde, in denen die Schülerzahl für konfessionell getrennte Gruppen zu klein geworden ist: "Es gibt den Auftrag der Bischöfe, an solchen Kooperationsmodellen zu arbeiten."

Bei dem von Katholiken und Protestanten seit langer Zeit diskutierten, gemeinsamen Abendmahl sieht Kohlgraf weiter große Probleme. Die evangelische Seite müsse sich klarwerden, was das Abendmahl für sie bedeute. Der katholische Kirche werde vorerst kaum eine generelle Einladung an alle Protestanten zur Teilnahme an der Eucharistiefeier aussprechen, sagte er. Die Teilnahme evangelischer Christen werde in jedem Fall auf "gut begleitete Einzelfälle", etwa bei gemischtkonfessionellen Familien, beschränkt bleiben.

Neue Diskussion über Umverteilung von Aufgaben und Macht

Für die katholische Kirche wünscht der neue Mainzer Bischof sich eine Diskussion über die Neuverteilung von Aufgaben und Macht: "Ein Bischof ist heute Dienstvorgesetzter über Tausende Menschen, er ist verantwortlich für viel Geld, für viele Immobilien. Ob all das zwangsläufig an ein geistliches Amt gekoppelt sein muss, da setze ich ein Fragezeichen." Es seien in den katholischen Bistümern bereits erste Schritte unternommen worden, Leitungsaufgaben neu zu verteilen. "Übrigens auch an Frauen, und das sind keine Alibi-Ämter, sondern Abteilungs- und Dezernatsleitungen", sagte Kohlgraf. "Wir alle sind ja auch nicht blind für die Wirklichkeit."


Bischof Peter Kohlgraf im Ornat (Bistum Mainz)
Quelle:
epd