Bischof Koch zur ersten Woche der Weltbischofssynode

"Spannend und arbeitsintensiv"

Von zwei feindlichen Lagern keine Spur, stattdessen ein offener Dialog: Dieses Zwischenfazit zieht Berlins Erzbischof Heiner Koch nach der ersten Woche des derzeit in Rom laufenden Weltbischofstreffens zu Ehe und Familie im Interview.

Erzbischof Heiner Koch / © Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Herr Erzbischof, wie erleben Sie die Atmosphäre in der Synode, angespannt, schwungvoll, bedrückend?

Koch: Für mich ist es begeisternd, Bischöfe wie auch Laien, Ehepaare aus der ganzen Welt zu erleben. Es ist bereichernd, hier die Weite der katholischen Kirche zu sehen, die Weite der Erfahrungen und der Bewertung der unterschiedlichen Gesellschaften. Ich erlebe die Synode aber auch als arbeitsintensiv, zumal ich als Relator der deutschen Sprachgruppen deren Beratungsergebnisse zusammenfassen und im Plenum sowie in den Auswertungsrunden dieser Synode vertreten muss. Für mich ist die Synode sehr spannend, weil hier unterschiedliche Standpunkte und Erfahrungen miteinander ins Gespräch kommen müssen, um bereichernd zu sein. Ich erlebe sie als offen und herzlich. Ich habe kein einziges Mal menschliche Härten oder Vorbehalte gespürt. Was nicht heißt, dass es nicht unterschiedliche Standpunkte gibt, die sehr deutlich vertreten werden.

KNA: Wie gehen die unterschiedlichen Positionen und "Lager" miteinander um?

Koch: Zunächst zu unserer deutschen Sprachgruppe, in der angeblich so unterschiedliche Positionen vertreten sind: Ich erlebe und bin sehr zufrieden, dass wir einmütig und offen zusammenarbeiten und dem anderen zuhören. Das gilt für die ganze Synode. Ich sehe nicht, dass es da zwei Lager gibt. Wenn, dann bestehen da bedeutend mehr Richtungen und Erfahrungen. Aber ich halte nichts davon, jemanden in eine Schublade zu stecken. Das wird der Realität der Person und der Kirche nicht gerecht.

KNA: Was haben die deutschen Bischöfe in die Generaldebatte eingebracht? Wie haben Sie sich eingebracht?

Koch: Unmittelbar nach der Eingangsrede von Kardinal Erdö hat Kardinal Marx darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Synode von 2014 - deren Schlusstext und die beiden Ansprachen des Papstes - und das jetzige "Instrumentum laboris" die Ausgangsbasis der jetzigen Beratungen bilden sollten - und nicht neue Texte und neue Vorstellungen. Der Papst selbst hat das am Tag danach eigens so bestätigt.

Dann habe ich für die deutschen Bischöfe im Plenum über die Situation von Ehe und Familie vor allem im Osten Deutschlands berichtet: Dass es dort keinesfalls selbstverständlich ist zu heiraten, geschweige denn kirchlich. Daher bedeutet eine kirchliche Heirat oft ein tiefes Glaubenszeugnis. Ich habe auf die vielen konfessionsverschiedenen Ehen verwiesen, ein Spezifikum in Deutschland. Weiter auf die Alleinerziehenden, in Berlin gibt es über 100.000 - auch das ist Familie, die wertgeschätzt und gefördert werden muss. Dann habe ich die kinderreichen Familien genannt, die oft an den Rand gedrängt werden, finanziell wie ideell. Weiter habe ich an die Flüchtlinge erinnert, ein wichtiger Teil der Mühen unserer Caritas. Darunter sind viele zerrissene Familien, wo Eltern ihre Kinder verloren haben und umgekehrt. Ich war erstaunt, wieviel Resonanz und Interesse mein Beitrag fand.

KNA: Was hat die Synode in ihrem ersten Arbeitsdrittel inhaltlich erbracht? Was ist das Ergebnis der ersten Woche?

Koch: Wir haben uns in der ersten Woche über die Erfahrungen in unseren Gesellschaften mit den Positionen von Ehen und Familien ausgetauscht, sowie über die Herausforderungen, die dies für uns als Kirche bedeutet. Es war bunt, es war vielfältig. Wir haben unterschiedlichste Erfahrungen gehört, etwa aus Nigeria und Eritrea, aus Syrien, dem Irak, wo christliche Familien unter Bedrohungen, Flucht und Hunger leiden. Angesichts dieser Not erscheinen manche unserer wichtigen Probleme bescheidener.

Dann gab es - auch in der deutschsprachigen Gruppe - eine längere Diskussion darüber, ob das vorliegende Arbeitspapier die gesellschaftliche Situation nicht zu pessimistisch, zu wenig differenziert schildert. Wir waren der festen Überzeugung, dass man nicht nur das Negative sehen darf. Dass wir eine positivere Sprache finden müssen, eine einladende, gewinnende und wertschätzende Sprache, die nicht ausgrenzt, urteilt und richtet.

KNA: Der deutschsprachige Bericht fordert, die jeweiligen kulturellen Eigenheiten sachgerecht wahrzunehmen und differenziert zu beurteilen. Was steckt dahinter?

Koch: Wir hatten den Eindruck, dass manche Formulierungen des Arbeitspapiers zu undifferenziert und damit zu gefährlich sind. Nehmen wir den Bereich der Biotechnik. Sie hat große Fortschritte gebracht und ist in vielen Bereichen ein Segen, aber sie kann auch missbraucht und lebensfeindlich eingesetzt werden. Aber man kann nicht die Biotechnik insgesamt für ihren falschen Gebrauch durch Menschen verurteilen.

Natürlich gibt es in der Gesellschaft gefährliche Tendenzen. Aber es gibt auch ungemein viel positiven Einsatz und Solidarität. Wir müssen auch den vielen Familien danken, die sich in der Gesellschaft engagieren. Wir müssen anerkennen, wie viele Familien ein behindertes Kind, einen alten, schwachen oder sterbenden Menschen pflegen und nicht allein lassen. Wir müssen doch auch das Positive sehen. Ich kann nicht wahrnehmen, dass wir von einer dunklen Welt umgeben sind.

KNA: Was erwarten Sie von der Synode? Was sollte am Ende stehen?

Koch: Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Botschaft von Ehe und Familie in einer einladenden Sprache, in einer narrativen, in einer nicht nur juristisch geprägten Sprache zu formulieren. Wichtig ist weiter, dass wir den Menschen gegenüber ein Stück der Dankbarkeit und Wertschätzung überbringen.

Dann erwarte ich mir ein grundsätzliches Wort der Synode zu theologische Grundfragen: Wie kann es sein, dass ein Mensch, dessen Leben Brüche aufweist, etwa wegen einer gebrochenen Ehe - wie kann es sein, dass der ein Leben lang nicht den Zugang zum Tisch des Herrn findet? Denn die Eucharistie ist ja auch eine Feier zur Vergebung der Sünden. Sie ist für Menschen da, die Kraft und eine Aufrichtung brauchen. Ich halte es für notwendig, dass die Synode hierzu ein grundsätzliches Wort sagt. Genauer: dass der Papst sich dazu äußert; denn die Synode ist ja ein Beratungsorgan des Papstes.

Im Übrigen hielte ich es für gut, wenn man in manchen Fragen die Entscheidung der einzelnen Bischofskonferenz überließe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen, die ich erlebe, alle Fragen in Rom geklärt werden. Der Vatikan ist kein Seelsorgeamt.

KNA: Sie erwarten also mehr Offenheit der Synode?

Koch: Aber Offenheit besagt für mich nicht, dass wir am Ende alle einer Meinung sind. Wenn man wirklich eine offene Synode und einen offenen Austausch will, muss man damit leben, dass es verschiedene Vorschläge, Bewertungen und Sichtweisen gibt. Ich hielte es nicht für gut und sinnvoll, eine Synode danach zu bewerten, ob sie 100 Prozent Einigkeit in allen Fragen findet. Wir müssen dem Papst auch die unterschiedlichen Punkte und Sichtweisen vorlegen. Es ist sein schwerer Dienst an der Einheit, das zusammenzuhalten. Aber in wesentlichen Dingen müssen wir natürlich eins sein. Und in wesentlichen und grundsätzlichen Fragen sehe ich auch keine Diskrepanz.

KNA: Welche Rolle hat in der Aula bislang die Haltung zu Homosexuellen gespielt?

Koch: Das Thema Homosexualität kam kaum zur Sprache. Ich fand es bemerkenswert, dass ein afrikanischer Bischof in seiner Wortmeldung das Recht auf Wertschätzung homosexueller Menschen zur Sprache gebracht hat. Es hieß ja zuvor immer wieder, gerade die Afrikaner seien in dieser Frage hart. Daher war dies ein interessantes Zeichen. Im Übrigen glaube ich aber nicht, dass die Synode Antworten auf alle Fragen geben kann. Man kann auch eine Synode zum Scheitern bringen, indem man ihr zu viele Fragen stellt und zu viel Antworten erwartet.

Das Interview führte Johannes Schidelko

 


Quelle:
KNA