Bischof Koch zu Pegida-Demos

"Angst vor verlorener Heimat"

Der Bischof von Dresden-Meißen, Heiner Koch, vermutet eine tief sitzende Angst hinter den "Pegida"-Demonstrationen in der sächsischen Hauptstadt. Ein domradio.de-Interview.

Bischof Heiner Koch  (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )

domradio.de: Warum gibt es überhaupt diese Pegida-Demonstrationen? Was verbindet die Menschen, die miteinander demonstrieren?

Bischof Koch: In den Gesprächen komme ich immer mehr zur Erkenntnis, dass die Frage des Asyls nur einer der Punkte ist. Was die Menschen hier scheinbar zutiefst bewegt und motiviert, ist die Angst vor der zu verlierenden Heimat. Bürokratisierung, „Überfremdung“, Islamisierung:  Das sind Ängste, die oft gar nicht rational greifbar sind. Sie fühlen sich ausgeliefert an machtpolitische Entscheidungen, in die sie nicht eingreifen können. Das prägt die Menschen - vor allem die, die sich auf der Verliererseite wähnen.  Auch Fragen wie: "Ist das noch unsere Heimat? Sind wir noch zu Hause?" spielen eine Rolle. Es ist eigentümlich, dass diese Angst vor dem verlorenen Halt und der Heimat, sich mit den Flüchtlingen verbindet, die ihre Heimat verloren haben.

domradio.de: Warum hat diese Bewegung ausgerechnet in Dresden so viele Anhänger?

Koch: Die Erinnerung an die Montagsdemonstrationen vor 25 Jahren hat hier gezündet. Ich muss allerdings sagen, dass das für mich schon eine ziemliche Zumutung ist. Damals richteten sich die Kundgebungen gegen illegale und autoritäre Volksvertreter. Heute sitzen im Parlament demokratisch gewählte Mitglieder. Viele Sachsen sind aber nicht wählen gegangen. Insofern ist der Ruf, der damals berechtigt war, heutzutage schief.

Zweitens ist es auch so: Wer damals mit auf die Straße gegangen ist, wusste, dass es jetzt weiterging mit Verhandlungen am Runden Tisch. Das macht mir jetzt hier so viel Sorge, dass sich viele von so einer Bewegung mitreißen lassen, aber sagen: Zu Gesprächen an Runden Tischen sind wir nicht bereit. Das ist meine Hauptsorge.

domradio.de: Sind für Sie die Demonstrationen ein Phänomen Gesamtdeutschlands oder ist es eher ein Identitätsproblem des Ostens?

Koch: Ich vermute, dass es eine Grundstimmung überall in Deutschland gibt. Aber hier im Osten ist es besonders stark. Die Vergangenheit hat vielen Menschen Ordnung und Klarheit gegeben. Es war zwar furchtbar, aber es war festlegt und klar prognostizierbar. Diese verlorene Geborgenheit in einer starren Ordnung, die ist sicherlich für manche hier ein Problem - gerade für die, die auf der Verliererseite stehen. Die vielen, die seitdem auf der Gewinnerseite stehen, und die aus der neuen Situation etwas Neues gemacht haben, die gehen nicht zu diesen Demonstrationen.

Ich glaube auch, dass die verlorene religiöse Dimension das ihre dazu tut. Wer keinen religiösen oder geistlichen Halt hat, der schwimmt dann schnell bei anderen mit, die irgendeinen Quatsch versprechen.

domradio.de: Viele Demonstranten sprechen vom christlichen Abendland. Welchen Einfluss haben die Kirchen denn auf die Menschen in Dresden?

Koch: Wir sind hier natürlich eine Minderheit. Wir Katholiken liegen bei 4 Prozent, die Protestanten bei 16 Prozent. Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir in dieser Gesellschaft  ein hohes Gewicht haben. Unsere Bedeutung wird sein, die verschiedenen Gruppierungen an einen Tisch zu bekommen. Auf jeden Fall sehe ich meine Aufgabe darin, die Versuche zu unterstützen, dass es doch zu einem Gespräch kommt - ein Gespräch, das die Ängste auf den Tisch bringt und das lösungsorientiert arbeitet.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR