Bischof: Kirchen sollen keine politischen Handlungsanweisungen geben

Keine einfachen Lösungen

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck verteidigt die Zurückhaltung der katholischen Kirche in der Debatte um den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan. Die Kirche sei nicht dazu da, politische Handlungsanweisungen zu geben, sagte Overbeck am Mittwoch im Deutschlandfunk. Zudem sei die Situation in Afghanistan so kompliziert, dass es einfache Lösungen nicht gebe.
Die Diskussion um die Kritik Bischöfin Käßmanns geht derweil munter weiter.

 (DR)

Overbeck unterstrich die Gemeinsamkeit von katholischer Deutscher Bischofskonferenz und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) beim Einsatz für den Frieden. Das sei Aufgabe der Christen. Allerdings halte er es vonseiten der katholischen Bischöfe für klug, «nicht genau darauf zu antworten», welche Mittel zur Friedensschaffung in Afghanistan zur Verfügung zu stellen sind, «aber das Ziel dabei im Blick zu behalten».

Deshalb habe die Bischofskonferenz in der konkreten Debatte nicht so «zugespitzt formuliert», in der die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann in mehreren Interviews und Predigten um den Jahreswechsel deutliche Kritik am militärischen Engagement Deutschlands in Afghanistan geäußert und eine Abzugsperspektive gefordert hatte. Aus Sicht Overbecks haben politische Interventionen der Kirchen generell dort ihre Grenzen, «wo - bis auf Extremsituationen - es um konkrete Handlungsanweisungen geht».

Overbeck sagte, er stimme mit Käßmann überein, dass Krieg in Afghanistan nicht zu rechtfertigen sei. Der Satz «Frieden schaffen ohne Waffen» müsse sich allerdings in der Wirklichkeit bewähren. «Sonst wird er zu einer moralische Maxime, die man nicht erfüllen kann», sagte der katholische Bischof.

Präses Schneider rügt «unverschämte» Kritik an Käßmann
Bischöfin Käßmann erhält derweil für ihre Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr Rückendeckung aus den Kirchen und Teilen der Politik. Der rheinische Präses Nikolaus Schneider verteidigte im WDR Käßmanns Einmischung. Mit ihren Afghanistan-Äußerungen habe sie der Gesellschaft «einen riesigen Dienst getan». Der oberste Repräsentant der 2,8 Millionen rheinischen Protestanten kritisierte «grenzüberschreitende, ja unverschämte» Äußerungen zu Käßmanns Person und Meinung. Er bezweifle, dass der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), auch den vorherigen Ratsvorsitzenden der EKD, Wolfgang Huber, derart kritisiert hätte. Robbe hatte der Bischöfin Naivität vorgeworfen und gesagt, sie habe Tausenden deutscher Soldaten das Gefühl gegeben, mit ihrem Dienst in Afghanistan gegen das Evangelium zu handeln.

In Afghanistan habe das Militär nur dann Berechtigung, wenn es den zivilen Wiederaufbau ermögliche, betonte Schneider. Das Militär müsse einen Sicherheitsrahmen schaffen, damit sich ziviles Leben entwickeln könne. «Wenn es davon losgelöst ist, wird es zerstörerisch», warnte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, widersprach im Deutschlandradio Kultur dem Eindruck, die katholische Kirche schweige zu Afghanistan. Die Position der Katholiken sei nicht weniger klar als die der evangelischen Kirche. Die Aufbauarbeit in der Krisenregion sei ohne militärischen Schutz nicht möglich, unterstrich der CSU-Politiker. Die Politik und nicht die Kirchen müsse entscheiden, «wie und mit welcher Perspektive die Entwicklung der nächsten Jahre sein kann, welches Ausstiegsszenario insgesamt politisch entschieden wird und in welchem Zeitraum man dieses anstrebt».
Weiter Kritik aus der CDU/CSU
Hingegen gibt es in der CDU/CSU weiter Widerspruch zu den Äußerungen der EKD-Ratsvorsitzenden. Fraktionsvize Christian Ruck sagte in Berlin, in der hochkomplexen Situation in Afghanistan sei es kontraproduktiv, wenn die deutsche Öffentlichkeit sowie Soldaten und Entwicklungsfachleute vor Ort durch «realitätsferne Äußerungen» verunsichert würden. Nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte Käßmann klargestellt, dass sie ihre Kritik am deutschen Engagement in Afghanistan aufrecht erhalte.
«Ich stehe dazu, was ich gesagt habe», sagte die hannoversche Bischöfin.

Käßmanns Darstellung «Nichts ist gut in Afghanistan» werde von einer aktuellen Umfrage von ARD, ABC und BBC unter Afghanen über die Perspektiven für ihr Land widerlegt, argumentierte der CSU-Politiker Ruck. Die internationale Gemeinschaft habe die «Schreckensherrschaft der Taliban» beendet und der afghanischen Bevölkerung wieder eine menschenwürdige Perspektive eröffnet.

In zwei Tagen haben sich mehr als 1.000 Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen hinter Bischöfin Käßmann gestellt. Sie unterschrieben einen offenen Brief an die EKD-Ratsvorsitzende, in dem alternative Lösungen für Konflikte befürwortet werden. Käßmanns Appell, solche Alternativen zu entwickeln, sei absolut richtig und «das Gegenteil von einfach und banal». Gewaltlosigkeit als Strategie zur Konfliktlösung dürfe man nicht verächtlich machen.

Das badische Forum Friedensethik begrüßte die «mutigen und deutlichen Worte» von Käßmann zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Die «Kampagne» gegen die Bischöfin zeige, dass viele Politiker eine Kirche wollten, die sich nicht politisch äußert, sondern nur mit dem Jenseits beschäftigt, heißt es in einer in Karlsruhe veröffentlichten Stellungnahme.

Laut Vereinten Nationen kommen in Afghanistan immer mehr Zivilisten ums Leben. Im vergangenen Jahr seien 2.412 Menschen getötet worden, die nicht unmittelbar an den Konflikten beteiligt waren. Das sei der höchste Stand seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001, teilten die UN in Kabul mit.