Bischof Kamphaus fordert: Religionen müssen ihr Verhältnis zur Gewalt klären

Christen und Muslime haben globale Verantwortung

Christen und Muslimen kommt dem Limburger Bischof Franz Kamphaus zufolge eine globale Verantwortung zu. Dieser Verantwortung müssten beide Religionen in einem offenen Dialog gerecht werden, schreibt Kamphaus in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Dienstagsausgabe) anlässlich des Papst-Besuches in der Türkei.

 (DR)


Alle Religionen müssten ihr Verhältnis zur Gewalt klären. "Die Stellung zur Gewalt schließlich ist in der Weltgesellschaft zur Gretchenfrage für alle Religionen geworden", schreibt Kamphaus. In der Diskussion mit Muslimen könnten Christen nur redlich argumentieren, wenn sich der eigenen Gewaltgeschichte erinnerten. Die Muslime wehrten sich zu Recht gegen die Gleichsetzung von Islam und Terror. Aber leider gehe die "Seuche terroristischer Gewalt" zum überwiegenden Teil von islamischen Gruppen aus. Zugleich seien auch die meisten Opfer des Terrorismus unter den Muslimen zu verzeichnen.

Menschenrechte anerkennen
Hohe Bedeutung komme daher der Frage nach dem Verhältnis zwischen Religion und Staat zu. Der säkulare Rechtsstaat gewähre allen Weltanschauungen und Religionen Raum, sei aber selbst weltanschaulich neutral. In nicht wenigen islamischen Staaten seien aber Christen Bürger zweiter Klasse, auch in der Türkei. Die Frage, wie Muslime den islamistischen Griff nach der Staatsmacht bewerten, sei entscheidend.

Im christlich-muslimischen Dialog müsse schließlich über den Stellenwert der Bibel und des Koran sowie über die Anerkennung der Menschenrechte gesprochen werden. Muslime, die sich für eine kritische Betrachtung des Koran aussprächen, bräuchten Unterstützung.
Die Anerkennung der Menschenrechte bedeute nicht, sie über das göttliche Recht zu setzen. Auch in der katholischen Kirche habe es lange gedauert, bis sich diese Einsicht durchgesetzt habe. Doch Christen trauten Muslimen den gleichen Lernprozess zu, "den sie selbst leidvoll durchgemacht haben", schreibt der Bischof.

Muslime wollen nicht mit Gewalt identifiziert werden
Der Leiter des türkischen Religionsamtes, Ali Bardakoglu, will Papst Benedikt XVI. einen gemeinsamen Aufruf von Muslimen mehrerer Länder vortragen. Wie die türkische Presse am Dienstag berichtete, hatte Bardakoglu vor seinem Treffen mit dem Papst muslimische Glaubensführer der Region angerufen, um einen gemeinsamen Aufruf zur Toleranz gegenüber dem Islam abzusprechen.

Die Geistlichen hätten sich darauf geeinigt, dem Papst ihre Besorgnis darüber darzulegen, dass der Islam im Westen zunehmend mit Gewalt identifiziert werde und die Islamophobie wachse. Vom Papst erwarteten die Muslime, dass er Hass und Feindschaft hinter sich lasse und positive, vorwärtsweisende Botschaften verbreite.