Bischof Huber beklagt beim Kassenärztetag Trend im Gesundheitssystem

"Diktat der Ökonomie"

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, beklagt ein wachsendes "Diktat der Ökonomie" im Gesundheitssystem. Die "Managementlogik", die zunehmend Einzug im Gesundheitswesen erhalte, habe ihre Grenzen.

 (DR)

Die Grenze sei etwa überschritten, wenn Patienten aus Kostengründen vorzeitig aus dem Krankenhaus entlassen würden, sagte Huber am Dienstag auf dem Deutschen Kassenärztetag in Berlin..

Huber erinnerte an die "tragenden Werte" im Gesundheitssystem wie Solidarität, Nächstenliebe und eine Würdigung der Kranken und Schwächeren. Diese Werte drohten zu "verblassen, wenn wir uns im Wesentlichen medizinisch, technisch und ökonomisch über Gesundheit unterhalten".

Zeit für Zuwendung
Die Zeit für Zuwendung auf Kinderstationen im Krankenhaus und für Gespräche mit Krebspatienten und Sterbenden müssten in den Kalkulationen von Kliniken ebenso berücksichtigt werden wie die restliche medizinische Therapie, forderte Huber. Die Gesundheitsversorgung müsse "ganzheitlich ausgerichtet" sein und die gesamte Lebenssituation eines Menschen im Blick haben anstatt nur einzelner Diagnosen. Palliativmedizin und Pflege müssten gestärkt werden. Grundsätzlich dürfe der Zugang zur Gesundheitsversorgung auch nicht vom Einkommen, der Herkunft oder dem Alter eines Patienten abhängen, sondern müsse allen offen stehen.

Zugleich betonte der EKD-Chef, ein "totales Versorgungssystem" - ohne Eigenverantwortung und Beistand von Familie, Nachbarn oder Freunden - sei "nie intendiert" gewesen und auch nicht finanzierbar. Solidarität schließe Eigenverantwortung nicht aus.

"Gesellschaft muss sich wieder auf Werte besinnen"
Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, forderte eine Abkehr von der "totalen Ökonomisierung" im Gesundheitswesen. "Behandlungsentscheidungen werden immer häufiger nicht aus rein medizinischen Gesichtspunkten heraus getroffen, sondern aus ökonomischen", kritisierte er.

Darunter litten die Solidarität und die soziale Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung. KBV-Vorstandsmitglied Carl-Heinz Müller mahnte, die Gesellschaft müsse sich "wieder auf die Werte besinnen", die in der "Wettbewerbseuphorie" im Gesundheitssystem drohten verloren zu gehen.