Bischof Hofmann zur Diskussion um das Tanzverbot und die Piratenpartei

Gegen eine "schleichende Aushöhlung"

In Bayern gilt das Tanzverbot neben Karfreitag an fünf weiteren Tagen. Nun hat sich die schwarz-gelbe Koalition darauf verständigt, dass künftig an "stillen Tagen" bis 2 Uhr morgens hineingefeiert werden darf. Bislang gilt das Tanzverbot bereits ab Mitternacht. Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann wendet sich im domradio.de-Interview gegen eine "schleichende Aushöhlung" der Feiertage und hat für die Piratenpartei einen guten Rat.

 (DR)

domradio.de: Es geht um die Verkürzung des Tanzverbotes um zwei oder bis zu drei Stunden in der Nacht zu dem eigentlichen Tag - warum ist die Kirche gegen diese Änderung?

Bischof Friedhelm Hofmann: Es geht hier nicht allein um zwei oder drei Stunden mehr Tanz und Vergnügen, sondern um eine schleichende Aushöhlung bestimmter Feiertage in Bayern. In der aktuellen Debatte geht es um den Aschermittwoch, den Gründonnerstag, Allerheiligen, den Volkstrauertag, den Totensonntag sowie den Buß- und Bettag. Nach derzeitiger Rechtslage gilt an solchen sogenannten Stillen Feiertagen ab Mitternacht Tanzverbot. Und das soll auch so bleiben! Wir Menschen - und nicht nur wir Katholiken - brauchen solche stillen Tage, wir brauchen Atempausen fürs Leben. Gerade an den genannten Tagen stehen die Themen Vergänglichkeit, Sterben, Tod, Leid, Krieg im Mittelpunkt. Schwierige Themen, denen heute viele Menschen ausweichen wollen, doch diese Themen holen jeden und jede letztlich irgendwann im Leben ein, auch wenn sie aktuell in unserer Gesellschaft zunehmend verdrängt werden. Die Stillen Tage bieten uns Freiraum in einer immer stärker verplanten Gesellschaft. An diesen Tagen können wir uns mit den Fragen von Leiden und Tod auseinandersetzen. So sind diese Tage Atempausen für die Seele. Und deshalb halte ich es für ganz wichtig, diesen wenigen Tagen auch ihre Stille von Beginn an - also von 0:00 Uhr an - zu lassen. Es gibt genügend Möglichkeiten während des Jahres, ausgiebig zu tanzen und zu feiern, was ich den Menschen ja auch gönne und  was auch wichtig ist für unser seelisches Gleichgewicht.



domradio.de: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will beim staatlichen Feiertagsschutz weiter Rücksicht auf die Kirchen nehmen, das sagte er am Mittwoch. Sehen Sie sich als Kirche ausreichend einbezogen in die Debatte um eine mögliche Reform des Tanzverbotes?

Bischof Hofmann: Ich setze hier auf die Worte des bayrischen Ministerpräsidenten. Bisher kann man den Eindruck gewinnen, es gehe bei der Debatte um einen Kuhhandel zwischen CSU und FDP. Die FDP erhält die Aufweichung des Tanzverbots an Stillen Tagen. Im Gegenzug kommt sie der CSU beim Streit um die Lärmbelästigung durch Alkoholmissbrauch entgegen. Das kann doch nicht sein, dass unsere Stillen Tage auf dem Altar der bayrischen Regierungskoalition geopfert werden. Mit den Kirchen gab es bisher zum Thema Tanzverbot an Stillen Tagen lediglich Sondierungen auf der Ebene der katholischen und evangelischen Büros in Bayern. Offizielle Gespräche mit den Kirchen sind jetzt nötig. Kardinal Marx hat unlängst darauf hingewiesen, dass es eine gemeinsame kath.-evangelische Stellungnahme geben werde.



domradio.de: Bislang ist sich die schwarz-gelbe Koalition in Bayern noch uneinig, wie weit die Lockerung des Tanzverbotes gehen soll. Gibt es denn aus Ihrer Sicht überhaupt die Notwendigkeit, an der bestehenden Regelung etwas zu ändern?

Bischof Hofmann: Ich sehe keinen Handlungsbedarf - im Gegenteil! Wenn wir jetzt einer Lockerung des Tanzverbots an Stillen Tagen zustimmen, wird dies sicherlich nicht der Schlusspunkt der Aushöhlung dieser Tage sein. Ich betone nochmals: Stille Tage sind nicht allein für die Kirchen wichtig, sondern für die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen solche Stillen Tage um der Menschen willen.



domradio.de: Die Kritiker des Tanzverbotes sagen, dass rund ein Drittel der Menschen in Deutschland nicht mehr konfessionell gebunden seien, und denen dürfe eine Religionsgemeinschaft nicht vorschreiben, wann sie feiern können und wann nicht. Lässt sich das Tanzverbot aus Ihrer Sicht auch bei fortschreitender Säkularisierung in Deutschland aufrechterhalten?

Bischof Hofmann: Die Stillen Tage sind ein gemeinsames Gut, ein großer Wert unserer Gesellschaft. Es wird zunehmend für die Kirchen schwieriger werden, hier ihre Position zu verteidigen. Aber es geht - wie schon gesagt - bei dieser Debatte um den Menschen, auch wenn viele Menschen heute nicht mehr konfessionell gebunden sind, werden sie im Leben nicht an den existenziellen Fragen vorbeikommen, die sich ja gerade an den Stillen Tagen besonders stellen. Krankheit, Leid und Tod treffen jeden. Und die Religionsgemeinschaften wollen hier nicht vorschreiben, wann jemand feiern darf und wann nicht. Das können die Menschen an über 355 Tagen und Nächten im Jahr, wenn ich die Stillen Tage abziehe. Ist das nicht genug Zeit für Tanz und Feier? Für ein gutes Zusammenleben einer Gesellschaft ist eine gegenseitige Rücksichtnahme nötig. Und hierzu gehört auch die Rücksicht auf besondere Tage der Kirchen.



domradio.de: Laut dem Spitzenkandidat der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen, Joachim Paul, geht es den Piraten beim Kampf gegen das Tanzverbot eigentlich darum, dass man freiwillig aufeinander Rücksicht nimmt, nicht weil das so vorgeschrieben ist. Wäre das ein gangbarer Weg, Freiwilligkeit statt eines gesetzlichen Tanzverbotes?   

Bischof Hofmann: Nein, denn das wird nicht funktionieren. Freiheit hat immer mit Verantwortung zu tun und bedeutet nicht Beliebigkeit. Ein gedeihliches Miteinander der Gesellschaft funktioniert nur, wenn bestimmte Regeln gesetzt werden. Freiwilligkeit kann schnell zur Beliebigkeit führen. Glauben die Piraten wirklich, dass jeder freiwillig auf die Einhaltung der Stillen Tage Rücksicht nehmen würde, wenn kein Tanzverbot bestünde? Das ist doch naiv! Regeln sind nötig zum Wohl der Gemeinschaft und hier muss der Einzelne dann auch immer wieder Einschränkungen seiner individuellen Freiheit in Kauf nehmen. Das, was uns Menschen wertvoll ist und dem Wohl des Menschen dient, gilt es auch mit Hilfe staatlicher Gesetze zu schützen. Und noch ein Wort zu den Piraten: Sie sollten erst einmal klären, wofür sie stehen und ein Konzept für ihr Agieren in der Politik entwickeln. Das Schlagwort "Transparenz" allein ist zu wenig.





Das Interview führte Mathias Peter.



Hintergrund

In der Debatte über eine Lockerung des Tanzverbots in Bayern an "stillen Tagen" stößt die schwarz-gelbe Koalition auf Widerstand. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) werde im Landtag zu erklären haben, wieso er "die stillen Feiertage als eine elementare Grundlage christlichen Zusammenlebens in Bayern liberalisieren und damit dem Kommerz freigeben" wolle, sagte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, am Sonntag in München.



Er kündigte an, die SPD wolle am Tanzverbot festhalten. Weiter sagte Rinderspacher, er werde mit Reinhard Kardinal Marx und dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm über das Thema sprechen. Er gehe entgegen der Aussage von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) davon aus, dass die geplante Lockerung mit den Kirchen noch nicht fertig diskutiert sei. Rinderspacher rechnet eigenen Angaben zufolge mit zahlreichen Beschwerden aus bayerischen Pfarreien an den Petitionsausschuss des Landtags.



Der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur (VEBWK) bekräftigte seine Forderung nach einer Liberalisierung. Bisher werde im Freistaat an "verkrusteten Vorstellungen" festgehalten, "die eigentlich nicht sein müssten", sagte der Vereinsvorsitzende Franz Bergmüller. Das Tanzverbot sei unzeitgemäß. Bei einer Neuregelung gehe es um lediglich zwei bis drei Stunden in der Nacht vor Feiertagen. Das gebe den Betreiber von Diskotheken und Lokalen aber die Möglichkeit, ihr Angebot auszubauen, betonte Bergmüller.



Die Koalition hatte sich darauf verständigt, dass künftig an "stillen Tagen" bis 02.00 Uhr morgens hineingefeiert werden darf. Bislang gilt das Tanzverbot bereits ab Mitternacht.