Bischof Hofmann würdigt Gerhard Richter zu seinem 80. Geburtstag

"Im Grunde weiß er um die Wirklichkeit Gottes"

Gerhard Richter gilt als weltweit erfolgreichster Künstler. Seit fast 30 Jahren kennt ihn der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann. Im domradio.de-Interview spricht der ehemalige Kölner Weihbischof über die Sinnsuche im gemeinsamen Gespräch und dem Werk seines Freundes.

 (DR)

domradio.de: Erinnern Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Gerhard Richter?

Hofmann: Das war in den 1980er Jahren, als ich in Köln Künstlerseelsorger war und bei Hausbesuchen viele Künstler kennen lernte. Und bei einer solchen Gelegenheit habe ich auch Gerhard Richter und seine Frau kennen gelernt - und über die Jahre einen freundschaftlichen Kontakt aufgebaut.



domradio.de: Wie erleben Sie Gerhard Richter? Er gilt ja als scheuer Mensch.

Hofmann: Das kann man sicherlich so sagen. Er lebt zurückgezogen, er vermeidet die plakative Öffentlichkeit. Er ist ein Mann, der die Innerlichkeit pflegt. Er denkt viel nach, er beschäftigt sich mit den aktuellen Problemen, aber er möchte seine Person aus dem Fokus der Öffentlichkeit herausgehalten sehen.



domradio.de: Als Freund und Seelsorger - haben Sie mit ihm schon über Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Gott und der Einordnung in der Welt gesprochen?

Hofmann: Wir haben viele Gespräche miteinander über den Sinn des Lebens, über den christlichen Glauben, über unsere Vorstellungen von Gott geführt. Und ich kann sagen, dass Gerhard Richter - auch wenn er sich immer wieder als Agnostiker bezeichnet - im Grunde doch ein Mann ist, der um die Wirklichkeit Gottes weiß, und es auch ganz deutlich in seinem künstlerischen Schaffen ausdrückt - und auch formuliert. Er sagt immer: Es gibt ein Mehr, das ich in meiner Kunst entdecke, das mich übersteigt, und ich frage mich immer, wer ist das? Was kommt mir in diesem Mehr entgegen? Insofern haben wir sehr viele sehr bereichernde Gespräche geführt.



domradio.de: Inwieweit hat Gerhard Richter auch Sie bereichert?

Hofmann: Indem er mir in der Nachdenklichkeit und der Ernsthaftigkeit Fragen unserer Zeit und des grundsätzlichen menschlichen Lebens angehend die Augen geöffnet hat für ein Verhalten, für ein längeres Meditieren, für ein sich darüber austauschen. Es geht ja nicht nur dadurch, dass ich meinen eigenen Glauben gefunden habe. Es geht ja auch darum, die Positionen anderer Menschen zu verstehen und mich mit ihnen in einem Dialog auch auszutauschen. Und da hat Gerhard Richter mir sehr viel gegeben.



domradio.de: Sie sprachen eben von dem Mehr in seinem Werk. Gibt eines, bei dem Sie das ganz besonders spüren?

Hofmann: Ich würde jetzt einfach mal das Bild "Domecke" erwähnen. Es ist eine Ansicht des Kölner Domes, die dem eigentlichen Grundsatz der Gotik widerspricht. Gotik möchte das vollkommene Architektonische als Abbild des himmlischen Jerusalems aufleuchten lassen. Gerhard Richter geht hin, nimmt eine verschattete Ecke, in der auch aus statischen Gründen ein halbes Fenster durch einen Pfeiler geschlossen werden musste, damit die Architektur auch möglich war, und er bringt in diese Situation, die dem eigentlich Gotischen widerspricht, durch einen Lichtstrahl, der einen solchen Pfeiler gleißend werden lässt, auf einmal genau das Anliegen ein, was die Gotik will, nämlich die Transparenz, die Transzendenz Gottes sichtbar zu machen. Das geschieht da ohne Fingerzeig, sondern auf eine direkt-unmittelbare Weise.



Das Gespräch führte Birgitt Schippers - hören Sie es hier voller Länge nach.



Hintergrund: Gerhard Richter wird am Donnerstag (09.02.2012) 80 Jahre alt.