Bischof Hankes Leidenschaft für das Felsklettern

Ein Mönch tanzt über dem Abgrund

Recht verwegen sieht er aus mit seinem grauen Schweißband, wo sonst Mitra und Scheitelkäppchen ihren Platz haben. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke nutzt seine knapp bemessene Freizeit am liebsten für Ausflüge in die Senkrechte: Am Seil kraxelt der drahtige Ordensmann durch steile Wände, das Jahr über im Frankenjura, im Sommerurlaub in den Alpen.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Ein sonniger Nachmittag im Wellheimer Trockental. Bis vor 70.000 Jahren floss hier noch die Donau. Felszinnen ragen keck über den Laubwald empor. An der Aichaer Wand haben sich bereits ein paar Kletterer eingefunden. Mit Verspätung kommt auch der 55-Jährige zum Treffpunkt: in beiger Dreiviertelhose, Turnschuhen und einer knallroten Fleecejacke. «Ist das etwa Kardinalspurpur?», meint einer grinsend zum bischöflichen Outfit. Der Neuankömmling lächelt über die Frotzelei hinweg, dann heißt es Gurt anlegen.

Der erste, der Hanke in Jugendjahren ans Seil nahm, war ein Onkel aus einem Forchheimer Redemptoristenkloster. Später traf er als Novize bei den Benediktinern in Plankstetten einen alpinistisch versierten Zivi. Der ist inzwischen ein hohes Tier in der bayerischen Elektroindustrie, aber auf Kletterfahrt gehen die beiden heute noch jedes Jahr. Bergvagabunden sind treu.

Des Bischofs ausgefallenes Hobby behagt nicht jedem.
«Extremsportarten sollten für den Klerus tabu sein», findet manch ein Gläubiger. Andere gönnen ihm das kleine Glück, nicht ohne besorgt zu mahnen: «Aber bitte immer gut sichern, Exzellenz, die Kirche braucht Sie hier auf Erden ganz dringend.»

Auf den Herrgott allein verlässt sich Hanke nicht, wenn er über dem Abgrund tanzt. Er sei «ein eher ängstlicher Typ», sagt er und zieht ein kaum gebrauchtes blaues Kletterseil aus seinem Rucksack, dazu ein Set neuer Karabiner - Schnäppchen, die er nach dem Tipp eines jungen Kletterkumpels übers Internet erworben hat. Beim Vorstieg bewegt sich der Bischof bedächtig, jeden Griff und jeden Tritt auf seinen Halt prüfend. Und stürzt er einmal ins Seil, macht ihm das auch nichts aus. «Es tut gut, immer mal wieder zu spüren, was es heißt, getragen zu sein.»

Hanke lässt durchblicken, dass er gern öfter Hand an den Fels legen würde. Mit seiner Form ist er noch nicht zufrieden. Dabei will er im Urlaub hoch hinaus. Der Großglockner, Österreichs höchster Gipfel, steht auf dem Tourenzettel. Und ein Eisriese im Berner Oberland. Der Mönch, 4.107 Meter hoch, reizt den Ordensmann allein schon des Namens wegen.

Das Jahr über reicht es meist nur am Abend oder mal einen halben Nachmittag zu kleinen Fluchten aus einer Rolle, die den Bischof sonst völlig in Beschlag nimmt. Unter seinen Seilgefährten ist er einfach «der Gregor», der mit ihnen auf der Hütte das Matratzenlager teilt und nach schweißtreibendem Aufstieg am Gipfel Weit- und Tiefblick genießt.

Gott näher fühlt sich Hanke in den Bergen nicht. Aber eine spirituelle Note ist für ihn schon dabei. «Beim Anmarsch zum Felsen wird nicht viel gequatscht, da ist man still und kann auch beten.» Der Kletterstrick hat ihm auch schon bei einer Firmpredigt gute Dienste geleistet. «Der Heilige Geist ist sozusagen das Seil, das Gott mir zuwirft, um mich an ihm festzumachen.» Danach bekam der Bischof viel Post. Die Briefe zeigten, dass die jungen Zuhörer ihn verstanden hatten.

Der Ausstieg über der Aichaer Wand ist erreicht, das Schweißband um den silbernen Haarschopf hat seinen Zweck erfüllt. Zeit zum Verschnaufen. Was seine sportlichen Leistungen betrifft, übt sich der Gelegenheitskletterer in benediktinischer Bescheidenheit. Wobei er ein Quäntchen Ehrgeiz nicht verbergen kann: Die stramme Sechsertour damals an den Bockmattli-Türmen hoch über dem Zürichsee, das war schon was. Aber um da noch einmal raufzukommen, müsste er viel mehr trainieren ...