Bischof Feige besucht Flüchtlingsaufnahmestelle

Selfies und Schicksale

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige will "nicht nur vom grünen Tisch" über Flüchtlinge sprechen. Nach einer Reihe kleinerer Heime besuchte er jetzt Sachsen-Anhalts Zentrale Aufnahmestelle, wo er bereits vor zwei Jahren schon einmal war.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Bischof Feige besucht Flüchtlingsaufnahme / © Jan Woitas (dpa)
Bischof Feige besucht Flüchtlingsaufnahme / © Jan Woitas ( dpa )

Bischof Gerhard Feige räumt es unumwunden ein: "Das zerreißt mich innerlich." Vor ihm sitzt ein junges Paar aus Eritrea. Die Frau ist schwanger und mit ihrem Freund vor der Küste Italiens aus einem Flüchtlingsboot gerettet worden. Beide schlugen sich bis nach Halberstadt durch. Jetzt sind sie in der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZASt) in Sachsen-Anhalt.

Die sogenannte Dublin-III-Regelung sieht vor, dass Italien für ihr Asylverfahren als erstes Aufnahmeland zuständig ist. Die Frau wird wohl aufgrund ihrer Schwangerschaft in Deutschland bleiben dürfen - aber der Vater des Kindes muss zurück nach Italien. "Sie wollen heiraten, aber weil beide keine Papiere haben, ist es nicht möglich", berichtet eine Caritas-Mitarbeiterin. "Nicht einmal einer Vaterschaftsanerkennung hat das Verwaltungsgericht deshalb zugestimmt."

Diskrepanz zu rechtlich Machbarem

Es ist kein Einzelschicksal, wie der Magdeburger Bischof am Donnerstag bei einem Besuch in der Aufnahmestelle erfährt. Eine junge Mutter hält ihren wenige Wochen alten Sohn auf dem Arm. Ihr und ihrem Mann droht dasselbe Schicksal. Auch ein junger Afghane erzählt dem katholischen Bischof, dass er von Frau und Kind getrennt ist, die in den Niederlanden leben. "Es ist eine große Spannung, was man christlich-menschlich möchte, wenn man dem anderen ins Gesicht sieht - und was rechtlich machbar ist", sagt Feige. "Für mich ist das schon schwer auszuhalten. Immerhin können wir in einigen Härtefällen helfen."

Doch die Familien, von deren Schicksalen der Bischof jetzt erfährt, haben kaum Hoffnung, dass ihr Fall vor einer Härtefall-Kommission verhandelt wird. "Durch Dublin-III ist Deutschland rechtlich nicht zuständig für diese Familien, und deshalb haben sie keinen Zugang zur Härtefall-Kommission", erklärt die Migrationsbeauftragte des Bistums Magdeburg, Monika Schwenke. Sie sieht die Dublin-III-Regelung als ein europäisches Problem, das humanitäre Lösungen oft schwierig mache.

"Das hat nicht zuletzt dazu geführt, dass das Kirchenasyl wieder stärker nachgefragt wird." In den vergangenen Monaten habe es im Bistum Magdeburg vier bis fünf Fälle von Kirchenasyl gegeben.

Auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sieht Dublin-III kritisch: "Ich habe mir die überfüllten Flüchtlingsaufnahmestellen in Süditalien angesehen." Er könne nachvollziehen, dass niemand dorthin wolle. Dennoch sei es eben die geltende europäische Regelung.

Kritik übt Stahlknecht an den Landkreisen, die in den vergangenen Jahren Abschiebungen nicht zügig durchgeführt hätten: "Es ist schwer vermittelbar, wenn Asylbewerber nun nach Jahren der Duldung abgeschoben werden." In diesem Jahr schob Sachsen-Anhalt laut Stahlknecht bereits 653 abgelehnte Asylbewerber ab. "Aber es gab auch fast 1.600 freiwillige Ausreisen", betont der Minister und verweist darauf, dass das Landesverwaltungsamt derzeit ein "Rückkehrmanagement" aufbaut. Zugleich ist ihm wichtig zu betonen: "Wir haben kaum Wirtschaftsflüchtlinge. Andere Behauptungen sind schlicht falsch."

Zweiter Besuch in Halberstadt

Feige hat die Zentrale Aufnahmestelle in Halberstadt schon einmal vor zwei Jahren besucht: "Jetzt wollte ich sehen, was sich entwickelt hat." ZASt-Leiter Eckhard Stein führt ihn übers Gelände: "Jetzt ist es mit rund 600 Belegungen entspannt, im vergangenen Jahr waren bis zu 2.200 Menschen hier untergebracht." Stein berichtet vom Alltag, wie sich etwa die Küche regelmäßig neu anpassen muss: "Essen ist für die Stimmung ganz wichtig." Aktuell sind überwiegend Inder, Syrer und Eriträer da. Ob es eine getrennte Unterbringung zwischen Ethnien oder Religionen gebe, will der Bischof wissen. "Unsere Erfahrung ist, dass eine Absonderung einzelner Gruppen eher zu Problemen führt", so Stein.

Feige sieht sich an, was die 13 Caritas-Mitarbeiter zum Teil im Schichtdienst in der Aufnahmestelle alles leisten: Asylberatung, Ehrenamtskoordination und Sozialbetreuung sind die Schwerpunkte. "Wenn wir wollen, können wir helfen", so Feige. Drei Inder machen strahlend ein Selfie mit dem Bischof, für ihre Familien daheim. Hoffnung auf einen positiven Asylbescheid haben sie kaum. Feige drückt ihnen fest die Hand: "Best wishes."


Quelle:
KNA