Bischof Erwin Kräutler wird 70 Jahre alt

Ein Bischof gibt nicht auf

Erwin Kräutler, aus Österreich stammender Bischof in Brasilien, wurde am Sonntag 70 Jahre alt. Der Oberhirte des Amazonas-Bistums Xingu setzt sich seit Jahrzehnten für den Schutz des Regenwaldes und die Rechte der dort lebenden Ureinwohner ein.

Autor/in:
Caroline Schulke und Agathe Lukassek
 (DR)

«Hallo, ich bin Dom Erwin», sagt Bischof Kräutler und reicht freundlich die Hand. Nicht nur die lässige Begrüßung, auch sein gesamtes Auftreten scheinen auf den ersten Blick so gar nicht zu seiner Amtswürde zu passen. Dunkelblauer Blouson über schlichtem Priesterornat, Sportschuhe an den Füßen, steht er, groß und hager, inmitten von Journalisten. Bischof Erwin Kräutler ist ein gefragter Gesprächspartner. Als Freund klarer Worte nimmt er kein Blatt vor den Mund - auch, wenn es unangenehm oder sogar lebensbedrohlich wird. Und das wird und wurde es oft für Kräutler, der an diesem Sonntag 70 Jahre alt wird.

Am 12. Juli 1939 im österreichischen Koblach geboren, ging Kräutler bereits 1965 als Missionar nach Brasilien. Dort leitet er seit 1981 als Nachfolger seines Onkels das Amazonas-Bistum Xingu, die flächenmäßig größte Diözese des Landes. In dieser Funktion und als Präsident des Indianermissionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz CIMI setzt er sich seit Jahrzehnten für den Schutz des Regenwaldes, die Armen und Benachteiligten, die Rechte der Ureinwohner und die Landlosen ein.

Schon mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet, zuletzt 2005 die US-Ordensfrau und Umweltaktivistin Dorothy Stang. Auch der Bischof selbst erhält Morddrohungen, steht unter Polizeischutz. Sein Engagement brachte und bringt ihn immer wieder ins Visier der politisch und wirtschaftlich Mächtigen.

1983 wurde er international bekannt als «der verprügelte Bischof». Kräutler hatte sich mit Neusiedlern solidarisiert, die seit einem Jahr vergeblich auf Geld für die an eine große Zuckerfabrik abgelieferte Ernte warteten. Nachdem alle Behördengänge fehlgeschlagen waren, besetzten die Siedler mit ihren Familien eine Straße in der Nähe der Bischofsstadt Altamira. Als die Militärpolizei eingriff, nahm sie auch Kräutler fest. Fotografen und Fernsehleute dokumentierten, wie die Militärs den Bischof in den Polizeigriff nahmen, zu Boden rissen und abtransportierten.

Man solle ihn deswegen nicht zum Helden machen, meinte Kräutler nach dem Zwischenfall. Er habe nur getan, was sich für einen Bischof gehöre: Er sei bei den Menschen gewesen, die ihn am meisten brauchten. Nach Ende der Militärdiktatur 1985 sind es Bergwerksgesellschafter, Holzhändler und Großgrundbesitzer, die ihn bedrohen. 1987 wird er bei einem mysteriösen Autounfall, dessen Ursachen und Hintergründe weiter ungeklärt sind, schwer verletzt. Zuvor hatte er sich als CIMI-Präsident bei der verfassungsgebenden Versammlung dafür eingesetzt, die Rechte der Indigenen in der Verfassung zu verankern - was ihm gelang.

Vielleicht sind es auch diese Erfolge, die ihn weiter unbeirrt öffentlich politische, soziale und wirtschaftliche Missstände anprangern lassen - allen Verleumdungen, Einschüchterungen und Drohungen zum Trotz. «Ich glaube daran, dass das, was ich mache, mein Auftrag und mein Weg ist, auch wenn es nicht so einfach ist, 24 Stunden am Tag unter Polizeischutz zu stehen und keinen persönlichen Freiraum mehr zu haben», beschrieb er im Herbst in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) seine Motivation. Er wolle dem Volk, dem er seit 1965 verbunden ist, nicht den Rücken zukehren.

Ähnlich kämpferisch gibt sich der Bischof in seinem Buch «Mein Leben ist wie der Amazonas». Darin schreibt Kräutler, er spüre «die Ohnmacht angesichts so vieler Ungerechtigkeit» und sei «empört über all die Ausbeutung und Plünderung der Menschen und ihrer Mit-Welt.» Aber trotz aller Aufs und Abs: Er sei als junger Priester freiwillig nach Brasilien gegangen «und werde das durchziehen, bis ich 75 Jahre alt bin». Das wären noch fünf Jahre, bis Dom Erwin sein altersbedingtes Rücktrittsgesuch an den Papst schicken muss.