Bischof aus Krisenregion Maidiguri über den Terror in Nigeria

"Das Grundproblem ist die Korruption"

Terror in Nigeria: Am Wochenende überfiel die Gruppe Boko Haram offenbar wieder mehrere Dörfer in der Nähe von Chibok, von wo Mitte April knapp 300 Schülerinnen entführt worden waren. Oliver Dashe Doeme (53), seit 2009 katholischer Bischof der Diözese Maiduguri im Nordosten Nigerias, zeigt sich besorgter denn je über die aktuelle Entwicklung.

Terror in Nigeria (dpa)
Terror in Nigeria / ( dpa )

KNA: Bei Überfällen am Wochenende sollen auch Kirchen angegriffen worden sein. Was haben Sie davon gehört?

Dashe Doeme: Ja, es wurden mehrere Kirchen überfallen. Eine katholische Kirche war allerdings nicht darunter. Das ist eine sehr schreckliche Erfahrung für uns alle. Seit mehreren Jahren schon verfolgen wir die traurige Entwicklung. Allerdings sind die erneuten Anschläge keine Überraschung für uns.

KNA: Kommen die Menschen trotz der Gefahr, während eines Gottesdienstes angegriffen zu werden, überhaupt noch in die Kirchen?

Dashe Doeme: Ja. Sie wären überrascht zu sehen, wie voll unsere Messen sind. Die Menschen sind traumatisiert, und sie leben in Angst. Viele haben ihre Häuser verloren. Aber sie wollen sich treffen, gemeinsam beten und die Frohe Botschaft hören. Das ermutigt sie in dieser schwierigen Lage und gibt Hoffnung. Ich halte die Menschen hier für sehr stark.

KNA: Boko Haram hat zuletzt Einkaufszentren, Bars und nun auch wieder Kirchen angegriffen. Warum diese Ziele?

Dashe Doeme: Sie sind ein Zeichen des Westens. Die Gruppe verbindet den westlichen Lebensstil mit christlichen Kirchen. Deswegen werden sie angegriffen.

KNA: Boko Haram, so heißt es immer wieder, möchte flächendeckend das islamische Recht, die Scharia, einführen.

Dashe Doeme: Das ist sehr gefährlich. Man muss verstehen: Unter den Anhängern sind viele junge Menschen, die ungebildet sind und wenig vom Islam verstehen. Sie können leicht benutzt werden.

KNA: Wer benutzt sie?

Dashe Doeme: Verbindungen zwischen lokalen Politikern und der Terrorgruppe Boko Haram hat es schon seit deren Gründung gegeben.

KNA: Mit anderen Worten: Es handelt sich - anders als häufig dargestellt - längst nicht nur um einen religiösen Konflikt?

Dashe Doeme: Auf keinen Fall. Religion ist nur ein Aspekt. Es gibt politische Eliten, die das Land mittels Korruption regieren wollen. Sie sind gierig und egoistisch und hungrig nach Geld. Nigeria ist schließlich ein sehr reiches Land. Korruption ist unser Hauptproblem.

KNA: Dabei gibt es in der Hauptstadt Abuja doch die Kommission zur Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität.

Dashe Doeme: (lacht) Macht diese Kommission wirklich ihre Arbeit? Geht sie wirklich mit aller Macht gegen Korruption vor? Es ist gut möglich, dass es auch dort Korruption gibt.

KNA: Zuletzt hieß es immer wieder, dass auch Teile der Armee Boko Haram unterstützten.

Dashe Doeme: Die Gruppe hat auf vielen Ebenen Unterstützer. Woher sonst bekommt sie denn ihre Waffen und Informationen? Die Gruppe verfügt über viele Kontakte und Verbindungen.

KNA: Wie nur lässt sich der Terror tatsächlich bekämpfen?

Dashe Doeme: Zuerst mal muss die Korruption bekämpft werden. Gleichzeitig müssen wir jungen Menschen eine Perspektive für ihr Leben bieten, die den meisten von ihnen bislang fehlt. Ändert sich das, dann werden diese Jugendlichen nicht anfällig für radikale Gruppierungen und deren Ideen.

KNA: Wann könnte es eine grundlegende Änderung geben?

Dashe Doeme: Das weiß nur Gott. Im Moment wirkt die Gruppe jedenfalls wieder sehr gestärkt.


Quelle:
KNA