Bischof Algermissen im domradio-Interview

"Wir können stolz sein"

Seit 60 Jahren engagiert sich Pax Christi für Frieden weltweit. Seit 2002 leitet der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen die internationale katholische Organisation. domradio sprach mit ihm über die vergangenen Jahrzehnte und die Aufgaben der Zukunft.

 (DR)

domradio: Was bedeuten 60 Jahre Pax Christi für ihre Organisation?

Bischof Heinz Josef Algermissen: Also wir wollen während dieser Jubiläumstage uns zunächst erinnern, dass wir unsere Quellen wiederum festmachen, die Quellen einer geistlichen Bewegung. Ursprünglich ist Pax Christi am Ende des Zweiten Weltkrieges in Lourdes entstanden. Dort lebte damals der Bischof Théas aus Lourdes, der bereits vor Beendigung des zweiten Weltkrieges den Deutschen die Hand zur Versöhnung reichte - und das war der große Impuls. Und von deshalb ist man dann bestrebt gewesen, den größten deutschen Marienwallfahrtsort zu erwähnen  - von Lourdes nach Kevelaer. Darum haben wir dort auch gestern mit den Jubiläumsfeierlichkeiten begonnen. Auch um zu zeigen, dass wir mit Hilfe der Gottesmutter, der Königin des Friedens, auf dem Weg sind. Wir wollen uns dessen vergewissern, dass wir eine ursprünglich geistliche Bewegung sind, die natürlich, aber das ist ja kein Widerspruch in den letzten Jahrzehnten, auch sehr politisch agiert hat. Aber wir müssen uns auch immer tief erinnern, woher wir eigentlich kommen. Ich denke wir sollten auch in die Welt hinein mitteilen, was Pax Christi in diesen Jahrzehnten alles geleistet hat.

domradio: Was wäre das beispielsweise?

Bischof Heinz Josef Algermissen: Zum Beispiel wäre die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen ohne Pax Christi heute so gar nicht möglich gewesen. Das ist ein wesentlicher Anteil des Engagements von Pax Christi. Die ersten Pilgerfahrten, die ersten ganz bewussten Fahrten von Pax Christi, waren erstmal nach Frankreich, um dort die Hände zur Versöhnung auszustrecken. 1963 Oradour und dann  1964 sofort ganz bewusst nach Auschwitz, aber auch Israel. Pax Christi ist die eigentliche Begründung des Maximilliam-Kolbe-Werkes das in den letzten Jahrzehnten unendlich viel für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen getan hat. Wir dürfen aber auch nicht vergessen dass 1958 Pax Christi durch eine große Spendenkampagne für die Hungernden in der Welt den inneren Anstoß gegeben hat für die Gründung des Hilfswerks Misereor, das dann 1958 im Rahmen der Fuldaer Bischofskonferenz von Kardinal Frings ins Leben gerufen wurde. Es ist also eine ganze Kette, eine ganze Summe von Gründen, dass wir sagen können: Wir können auch auf die Vergangenheit stolz sein.

domradio: In diesen Tagen bewegt die Menschen der Tibet-Konflikt. Inwieweit ist Pax Christi hier aktiv?

Bischof Heinz Josef Algermissen: Ich denke, wir kennen viel von unseren Leuten, die weltweit unterwegs sind, und wir bekommen die ersten Nachrichten. Aber soweit ich weiß,  ist unser Engagement in Tibet nicht so stark. Das ist ja auch eigentlich ein Konflikt, der in den letzten Tagen so richtig mächtig ausgebrochen ist. Begründet wird das ganze mit den Olympischen Spielen. Es ist jedenfalls für Pax Christi ein Hohn, sich auf dem Platz des Friedens in Peking zu versammeln, wo vor einigen Jahren tausende von Menschen mit Panzern getötet wurden. Diese schreienden Ungerechtigkeiten und die Widersprüche in dieser Welt zur Sprache zu bringen und auch darzulegen, das ist im Wesentlichen unsere Aufgabe. Das letzte Große, was wir versucht haben zu leisten, ist uns mit aller Macht gegen den Irak-Krieg zu stemmen. Das war leider nicht von Erfolg gekrönt. Aber wir brauchen das jetzt nicht süffisant zu sagen, aber es ist genau das eingetreten, was wir befürchtet haben: und zwar dass man durch eine Kriegsstrafaktion gegen Saddam Hussein keinen Frieden stiften kann. Es geht uns im Wesentlichen darum, dass wir die inneren Bedingungen von Gewalt, Krieg und Unfrieden entdecken, im wahrsten Sinne des Wortes, so wie es auch der heilige Vater in einer Grußbotschaft geschrieben hat, die ich heute Abend in Berlin verlesen werde. Einer der zentralen Ansätze und Sätze dort lautet "Nur die Verwandlung der Herzen führt zur Verwandlung der Welt". Das heißt: Die Bedingungen der Gewalt müssen wir entdecken. Gewalt fällt nicht vom Himmel. Gewalt entsteht durch eine leise, zunächst latente Vergiftung der Herzen. So fällt auch kein Krieg vom Himmel. Kriege werden immer in den Herzen der Menschen zunächst vorbereitet. Und diese subtilen Gewaltstrukturen, die wir auch in unserer Gesellschaft überall haben - von den Schulhöfen über die Familien bis zu den Autobahnen -  diese auch zur Sprache zu bringen.

domradio: Herr Bischof Algermissen, vielen Dank für das Gespräch.