Bischof Ackermann zum Start der neuen Diaspora-Aktion

"Zeitgemäß für den Glauben werben"

Am Sonntag hat das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken in Trier seine bundesweite Diaspora-Aktion 2011 gestartet. Die Solidaritätsaktion für katholische Christen in der Minderheit steht in diesem Jahr unter dem Leitwort «Keiner soll alleine glauben». Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zum Stellenwert der Aktion.

 (DR)

KNA: Bischof Ackermann, bei Ihnen in Trier wurde die aktuelle Diaspora-Aktion eröffnet. Das Motto heißt "Keiner soll alleine Glauben". Was bedeutet dieses Motto für Sie?

Ackermann: Jesus hat die Jünger persönlich berufen, also jeden einzelnen. Aber nicht in die Einsamkeit, sondern in eine Glaubensgemeinschaft. Insofern trifft das Motto der diesjährigen Diaspora-Aktion direkt in den Kern des Evangeliums hinein, dass wir nur als Gemeinschaft glauben können. Wenn ich allein bleibe, werde ich den Glauben verlieren.



KNA: Was kann Kirche heute dagegen tun?

Ackermann: Ich glaube, entscheidend ist zu schauen: Wie können wir die Menschen zusammenführen. Etwa, indem wir Gruppen bilden - ob unter Jugendlichen, Familien, Singles oder Senioren. Und natürlich müssen wir unsere Botschaft so verkünden, dass sie Menschen anspricht. Das ist ja nicht nur eine Frage der Infrastruktur, sondern eben auch der Attraktivität der Botschaft. Eine schönere und sinnvollere Botschaft als das Evangelium Jesus Christi gibt es nicht. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Wir müssen nur immer wieder neu überlegen, wie wir die Botschaft auch so vermitteln, dass die Menschen sich von ihr angezogen fühlen.



KNA: Wie wichtig ist dabei heute die Arbeit des Bonifatiuswerks?

Ackermann: Sie ist nach wie vor unverzichtbar. Das fängt an bei ganz praktischen Hilfen - etwa wenn es darum geht, mit einem Kleinbus Distanzen zu überwinden, um zur Jugendgruppe, zum Bibelkreis oder zum Gottesdienst zu kommen. Gerade in den Diaspora-Gebieten, wo Katholiken eine kleine Minderheit sind und oft große Entfernungen zurücklegen müssen. Dann muss es natürlich Räume geben, wo man sich versammeln kann. Auch da ist die konkrete materielle Hilfe nach wie vor notwendig. Und dazu kommt ja seit langem auch das Bemühen des Bonifatiuswerks, möglichst zeitgemäß, kreativ und authentisch für den Glauben zu werben.



KNA: Beim Stichwort Diaspora denkt man zunächst an die klassischen Regionen in Nord- und Ostdeutschland, Skandinavien oder im Baltikum. Aber ist nicht inzwischen längst ganz Deutschland Diaspora, weil die Katholiken nur noch eine Minderheit sind?

Ackermann: Im übertragenen Sinne sicher. Vor allem, wenn man Diaspora auch als geistige Minderheitensituation versteht, in der viele das Gefühl haben, in einer Umgebung zu leben, in der der Glaube immer fremder wird.



KNA: Was bedeutet das für die Kirche, wenn der alte volkskirchliche Charakter immer mehr verloren geht?

Ackermann: Ich denke, hier können wir alle lernen von denjenigen, die schon länger in der Diaspora leben: zum Beispiel, dass bestimmte Strukturen nicht für immer bleiben, also, dass es Veränderungen gibt, aber dass man keine Angst haben muss vor Veränderungen, denn sie bieten auch neue Chancen. Klassische Diasporagemeinden können den Pfarreien in traditionell katholischen Gebieten zeigen, dass man mobil und flexibel bleiben muss. Aber auch, dass man nicht nur da gut und lebendig Kirche sein kann, wo die Mehrheit kirchlich oder katholisch ist. Das ist eine wichtige Botschaft, gerade in diesen Zeiten des Umbruchs.



KNA: Muss sich Kirche damit abfinden, immer mehr am Rand zu stehen?

Ackermann: Da würde ich unterscheiden. Zum einen wäre es natürlich eine Illusion zu sagen, wir wollen zurück zur Volkskirche der letzten Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Wir müssen die Diaspora-Situation annehmen und akzeptieren. Aber das heißt ja nicht, dass wir uns jetzt in eine Wagenburgmentalität zurückziehen und einigeln. Jesus sagt uns ganz klar: "Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet den Menschen das Evangelium!" Das heißt, dass wir immer wieder den Glauben mit anderen teilen und uns nicht hinsetzen, die Hände in den Schoß legen und sagen: "Hauptsache, die wenigen Aufrechten sind noch da."



KNA: So oder ähnlich interpretieren aber manche die Aussagen des Papstes bei seinem Deutschlandbesuch...

Ackermann:Ich glaube, dass man ihn dann sehr falsch versteht, wenn man glaubt, er wolle nur die wenigen Aufrechten stärken. Immer wieder forderte er uns ja auf, auf Gott hinzuweisen in der Gesellschaft und einzuladen zum Glauben. Er wird ja auch nicht müde, den jungen Leuten immer wieder zu sagen: Nehmt doch auch Freunde mit, ladet sie ein, in den Gottesdienst oder zu Veranstaltungen der Kirche.



KNA: Kann hier auch der Dialogprozess weiterhelfen?

Ackermann: Das hoffe ich doch sehr. Und dabei muss vor allem auch deutlich werden, dass wir Katholiken uns nicht nur über binnenkirchliche Themen streiten. Die Menschen müssen spüren, dass wir einstehen für den Glauben an Gott und gerade deshalb ganz wach sind für die Probleme unserer Zeit. Und dass wir eine Menge beizusteuern haben für die Gesellschaft insgesamt. Das ist sehr wichtig. Denn es wäre verheerend, wenn wir nur den Eindruck vermitteln, dass wir uns vor allem mit uns selbst beschäftigen. Dieser Impuls in die Gesellschaft - auch der hat für mich ganz viel mit dem Motto der Diaspora-Aktion zu tun: "Keiner soll alleine glauben"!



Das Gespräch führte Gottfried Bohl