Bischöfe werben in Brüssel für eine EU der Werte

Die COMECE - Mitgestalterin statt Bedenkenträgerin

Was will Kirche in der EU? Mahnen, einklagen - oder auch mitgestalten? Themen dafür gibt es auf dem Spielfeld Europa genug.

Autor/in:
Alexander Brüggemann und Franziska Broich
 (DR)

Europa ist mehr als eine Wirtschaftsunion. Mit dieser Überzeugung wirbt die katholische Kirche seit langem für eine stärkere Zusammenarbeit des Kontinents. Ein wichtiges Instrument, um ein Europa der Werte zu fördern, ist die EU-Bischofskommission COMECE, in der Vertreter der Bischofskonferenzen der 27 verbliebenen EU-Staaten zusammengeschlossen sind.

Als Aufgabe der COMECE beschreibt der Münchner Kardinal Reinhard Marx (65), der von 2012 bis 2018 an der Spitze der Kommission stand, die politische Agenda der EU "sozialethisch, kritisch und positiv" zu begleiten. Die COMECE wolle ein Bild Europas befördern, das die Einheit des Kontinents mit einer gemeinsamen Idee versehe. "Wir sollten als Kirche eher die Promotoren einer positiven europäischen Einigung sein und nicht die Bedenkenträger", betont Marx.

Politik im Sinne der Kirche mitgestalten

Der aktuelle COMECE-Vorsitzende, der Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich (60), warnt vor Populismus, der die europäische Integration zu zerstören drohe. Man könne das Projekt der europäischen Einigung in dem einen oder anderen Punkt kritisieren, aber es habe den Frieden auf dem Kontinent bewahrt und sei heute "ein Friedensfaktor in der Welt".

Entstanden ist die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" im Zuge der ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Die Konstruktion als Verbindungsstelle zur EU-Politik ist jener der Katholischen Büros in Deutschland nicht unähnlich. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der Kirche mitzugestalten.

Drei Vorsitzende kamen aus Deutschland

Deutsche haben Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mitgeprägt. Von den bislang sieben Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: außer Marx der Gründungspräsident und Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984), sowie Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006).

Mit dem historischen Umbruch in Europa Anfang der 90er Jahre erhielt für die katholische Kirche auch ihre Brüsseler Vertretung zusätzliche Bedeutung. Der Fall des Eisernen Vorhangs und der Vertrag von Maastricht (1992) machten ein Neudenken des europäischen Projekts nötig. Unter Kommissionspräsident Jacques Delors (1985-1995) entstand ein allmählich institutionalisierter Dialog zwischen der EU und den als "sinnstiftend" empfundenen Religionsgemeinschaften.

Kirchen sicherte Rechtsstellung in den Mitgliedstaaten

Mit Bischof Homeyer und dessen agilem Generalsekretär Noel Treanor (1993-2008) bekam die COMECE einen festen Platz im Brüsseler EU-Konzert, als kirchliche Schnittstelle zu den europäischen Institutionen. Zwar gelang es nicht, einen Gottesbezug in der am Ende gescheiterten EU-Verfassung festzuschreiben.

Doch in der Europäischen Grundrechtecharta und anderen "Werteprojekten" haben ihre Beiträge Niederschlag gefunden. Im den EU-Verträgen von Amsterdam 1997 und Lissabon 2009 konnten die Kirchen ihre Rechtsstellung in den Mitgliedstaaten sichern.

Christliche Werte in europäischer Gesellschaft verteidigen

Die Stellungnahmen der EU-Bischofskommission sind von der katholischen Soziallehre inspiriert. Ihre Arbeitsthemen reichen von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Handelsfragen - bis hin zum europäischen Gesellschaftsmodell: soziale Probleme, Migration, Forschung und Bioethik, Bildung und Jugend, Zukunft der Arbeit, Förderung von Demokratie.

Die COMECE versucht, christliche Werte wie den Schutz von Familie, Leben und Menschenwürde in einer europäischen Gesellschaft zu verteidigen, in deren Mitgliedstaaten sich teils tiefgreifende Paradigmenwechsel vollziehen. Bei der nun bevorstehenden Vollversammlung der EU-Bischöfe will der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit ihnen diskutieren, was in den vergangenen fünf Jahren erreicht wurde.

Erklärung zu den Europawahlen

Für einige EU-Parlamentarier könnte die Kirche freilich noch präsenter in Brüssel sein. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der dienstälteste EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU) zuletzt: "Kirche ist zu defensiv." Sie müsse sich nicht zur Wasserschutzrichtlinie äußern - aber dann, wenn es ans "Eingemachte" gehe. Vor den Europawahlen Ende Mai fordert er die Kirche auf, für die Wahrheit einzustehen und zu benennen, wer konkret für Fehlentwicklungen in der EU Verantwortung trage.

Die COMECE veröffentlichte Mitte Februar eine Erklärung zu den Europawahlen. Darin heißt es: "Wählen ist nicht nur ein Recht und eine Pflicht, sondern auch die Möglichkeit, den Aufbau Europas konkret mitzugestalten." Jede Meinung zähle, wenn es darum gehe, jene Personen zu bestimmen, die "unsere politischen Überzeugungen" vertreten sollen.

 

Kardinal Reinhard Marx / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Harald Oppitz ( KNA )

 

Luxemburgs Erzbischof Jean-Claude Hollerich, neuer Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE / © Alessandro di Maio/COMECE (KNA)
Luxemburgs Erzbischof Jean-Claude Hollerich, neuer Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE / © Alessandro di Maio/COMECE ( KNA )
Quelle:
KNA