Bischöfe rufen zu ethischer Orientierung auf

Wirtschaftskrise zur Erneuerung nutzen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, fordert mehr Anstrengungen, um den Zusammenhalt der Gesellschaft auch in der Wirtschaftskrise zu gewährleisten. Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx fordert, die soziale Marktwirtschaft müsse "wieder auf eine langfristige auch ethische Orientierung hin" entwickelt werden. Dazu gehörten Gerechtigkeit und die Teilhabe aller.

 (DR)

Egoismus habe zu ihrer Entstehung geführt, deshalb sei jetzt jeder Einzelne dazu aufgerufen, mehr Rücksichtnahme gegenüber dem anderen zu üben. Die Politik müsse für entsprechende Leitplanken sorgen, beispielsweise, indem Managerboni begrenzt und an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt würden, sagte Zollitsch am Donnerstag im Südwestrundfunk (SWR).

Der Erzbischof befürchtet mit Blick auf kommende Sparmaßnahmen eine Abkühlung des sozialen Klimas. Die Krise habe vor allen Dingen die einfachen Leute getroffen, die nun um ihren Arbeitsplatz bangten, sich in Kurzarbeit befänden oder schon arbeitslos geworden seien. Sie würden vermutlich auch von notwendigen Einsparungen am stärksten getroffen. Darüber hinaus belaste die enorme Staatsverschuldung insbesondere die jungen Menschen, sagte der Konferenzvorsitzende. Dies gelte es zu bedenken. «Wir haben der kommenden Generation vieles aufgebürdet», so Zollitsch.

Marx: Nicht viel gelernt
Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx sagte im Bayerischen Rundfunk, Deutschland habe noch nicht sehr viel aus der Krise gelernt. Die soziale Marktwirtschaft müsse «wieder auf eine langfristige auch ethische Orientierung hin» entwickelt werden. Dazu gehörten Gerechtigkeit und die Teilhabe aller.

Im Vergleich zu anderen Ländern habe Deutschland allerdings viel erreicht, lobte der Erzbischof. So sei durch das Instrument der Kurzarbeit die Arbeitslosigkeit auf relativ geringem Niveau gehalten worden. Allerdings betonte Marx auch, dass im vergangenen Jahr viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren hätten: «Und das wird eine Hauptaufgabe sein, dass Menschen beteiligt bleiben können in unserer Gesellschaft und das geschieht im Wesentlichen auch durch die Teilhabe an der Arbeit.»

Auch die Staatsverschuldung ist nach Ansicht von Marx ein Thema, das die neue Regierung angehen muss: «Da müssen im neuen Jahr Perspektiven eröffnet werden, wie wir da wieder herauskommen, denn das ist eine Belastung unseres Gemeinwesens und das muss gemeinsam getragen werden und darf nicht nur ungerecht verteilt werden».

Mixa: Kirche muss Soziallehre stärker einbringen
Die Kirche muss nach den Worten des Augsburger katholischen Bischofs Walter Mixa ihr Menschenbild und ihre Soziallehre stärker in den Gesellschaft einbringen. Die katholische Kirche sei zwar keine Volkskirche «im bisherigen Sinne» mehr, sagte der Bischof in einem Interview der Tageszeitung «Die Welt» (Donnerstag). Sie sei aber eine Kirche «mitten im Volk». Die Christen müssten zugleich mutiger ihre eigenen Überzeugungen in einer multikultureller werdenden Gesellschaft verteidigen, sagte der Bischof mit Blick auf das Kruzifix-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs.

Mixa verteidigte seine Kritik an der Aussage des neuen Präsidenten des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK), Alois Glück, zum Zölibat. Theologische Fragen und Themen der kirchlichen Ordnung gehörten zu den Aufgaben des kirchlichen Lehramtes. Dem ZdK müsste es wichtiger sein, «sich stärker mit Fragen wie dem Lebensschutz, der Bioethik und dem Schutz von Ehe und Familie oder der sozialen Gerechtigkeit zu befassen».

Mit Blick auf Verhandlungen des Vatikan mit der traditionalistischen Piusbruderschaft forderte er von den Pius-Brüdern, «Farbe zu bekennen» und die Religionsfreiheit anzuerkennen. «Christen dürfen die Religionsfreiheit nicht infrage stellen, sie sind von Anfang an auf sie angewiesen», sagte Mixa unter Verweis auf Christenverfolgungen in vielen Ländern.

Eine Zusammenarbeit zwischen Muslimen und katholischer Kirche ist nach Mixas Ansicht vor allem in ethischen Fragen möglich. Die Muslime stünden für den Schutz des ungeborenen Lebens, den Wert der Familie und die religiöse Erziehung ein und sie hätten wie die Christen das Gebot der Nächstenliebe. Der Bischof sprach sich im Namen der Religionsfreiheit gegen ein Minarettverbot aus. Zugleich forderte er aber für Christen in mehrheitlich muslimischen Ländern die Möglichkeit, dort zumindest Gebetshäuser zu bauen.

In der Ökumene sprach er sich dafür aus, dass die Christen «unabhängig von Differenzen in Einzelfragen, zu einer größeren Humanität des menschlichen Lebens beitragen». «Wir müssen auch im Gespräch der Kirchenleitungen zu klaren, eindeutigen interkonfessionellen Aussagen kommen», so der Bischof.
Fürst: Enttäuschung über Kopenhagen
Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst zeigte sich enttäuscht über den gescheiterten Weltklimagipfel von Kopenhagen. Christen seien zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Natur aufgerufen. Für einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit der Zeit sprach sich der Mainzer Kardinal Karl Lehmann aus. Wenn es nur um Beschleunigung, Wachstum und Fortschritt gehe, drohe die Gegenwart immer schneller zu schrumpfen, der Mensch immer schneller weitergejagt zu werden. Er sprach sich für ein Innehalten und «Entschleunigen» aus. Dazu gehöre, Zeit füreinander zu haben sowie den Mut zur Besinnung und zum Nachdenken zu gewinnen.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen rief dazu auf, den Sonntag als Weltkulturerbe zu schützen. Er sei ein Entschleuniger in einem Zeitalter der Beschleunigung. «Wir brauchen den Sonntag als Kontrapunkt gegen Flexibilisierung und Ökonomisierung», so Thissen. Wenn dieses Erbe verschleudert werde, müsse sich niemand wundern, wenn andere Kulturen und Religionen diesen Platz einnähmen.