In einem bundesweit einmaligen Vorgang haben die zuständigen Bischöfe die gemeinsame Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Berlin sowie den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz aufgelöst.
Nach dem Rücktritt weiterer Mitglieder des Gremiums hätten sie beschlossen die Amtszeit der verbliebenen Mitglieder zum 31. Mai zu beenden, teilte das Erzbistum Berlin am Dienstag im Nachgang mit. Zur Begründung verweisen die Bischöfe auf den jüngsten Jahresbericht der Kommission vom November sowie ein Minderheitsvotum von Betroffenenvertretern vom Februar, worin anhaltende kommunikative Probleme und eine dysfunktionale Arbeit beklagt würden. Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sprach von einem "fatalen Signal".
Die Bischöfe folgen mit der Auflösung der Kommission "der vielfach vorgetragenen Bewertung, dass eine weitere Zusammenarbeit in dem gegebenen Rahmen trotz aller Bemühungen nicht möglich zu sein scheint", heißt es in der Erklärung. Sie bedauerten diese Entwicklung ausdrücklich. "Sie fühlen sich dem Anliegen der Aufarbeitung weiterhin verpflichtet und wollen sorgfältig prüfen, wie diese Aufarbeitung konstruktiv fortgeführt werden kann."

Zuständig sind Erzbischof Heiner Koch (Berlin) sowie die Bischöfe Wolfgang Ipolt (Görlitz) und Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen); zudem war die Katholische Militärseelsorge, die ihren Sitz in Berlin hat, ebenfalls mit im Verbund.
Ähnliche Kommissionen in allen deutschen Bistümern
Die sogenannte Interdiözesane Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs (IKA) konstituierte sich am 10. Mai 2023. Die neun Mitglieder wurden von Landesregierungen, Bistümern und einem Beirat von Missbrauchsbetroffenen benannt. Das Gremium war nicht Teil kirchlicher Strukturen und arbeitete weisungsfrei.
Aufgabe der Kommission war es, das Ausmaß sexualisierter Gewalt in den beteiligten Bistümern sowie die kirchlichen Rahmenbedingungen, die Missbrauch fördern, zu ermitteln sowie zu bewerten und auf wirksame Präventionsmaßnahmen hinzuwirken. Ferner sollten Betroffene ermutigen werden, von ihren Erfahrungen zu berichten. Grundlage für die Berufung der Kommission ist eine Vereinbarung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und des damaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig aus dem Jahr 2020.
Entsprechende Aufarbeitungs-Kommissionen wurden seitdem in allen katholischen Bistümern Deutschlands eingerichtet.
"Boden entzogen"
Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung sagte Claus der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), über mögliche Lösungen und Alternativen sei nicht gesprochen worden. "Damit wird Betroffenen sexualisierter Gewalt der Boden für eine unabhängige Aufklärung und Aufarbeitung entzogen", so die Beauftragte.

Auch ein Scheitern einer solchen Kommission dürfe nicht dazu führen, Betroffene neuerlich im Stich zu lassen. "Ich erwarte von Erzbischof Koch und seinen Amtskollegen, schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass auch für die kommenden drei Jahre verlässliche Strukturen geschaffen werden, über die die Vorgaben der Gemeinsamen Erklärung umgesetzt werden."
"Aufarbeitung muss weitergehen"
Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch äußerte ihr Bedauern über die Auflösung. Zugleich sagte der Sprecher der Initiative, Matthias Katsch, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), das dürfe nicht das Ende der Aufarbeitung in den drei Bistümern sein. Es brauche auch weiterhin eine unabhängige Aufarbeitungskommission. Wichtige Anliegen seien noch nicht oder nur unzureichend angegangen worden.

Eine solche Kommission solle konkret Missbrauchsfälle anhand vorhandener Akten des jeweiligen Bistums aufklären und dabei Betroffene anhören. Eine weitere wichtige Aufgabe sei es, die betroffenen Pfarrgemeinden, in denen es in der Vergangenheit Missbrauch durch Kleriker gegebenen habe, in den Aufarbeitungsprozess einzubeziehen. Es wäre von Anfang an besser gewesen, statt eines bistumsübergreifenden Gremiums jeweils eigene Untersuchungskommissionen in den Bistümern Berlin, Dresden-Meißen und Erfurt zu bilden, so Katsch.