Bischöfe beschließen Kurskorrektur beim Arbeitsrecht

Reformen im Überblick

Die katholischen Bischöfe haben ein neues kirchliches Arbeitsrecht beschlossen. Für Mitarbeitende in kirchlichen Einrichtungen können die zum Teil radikalen Reformen erhebliche Auswirkungen haben. Die Neuerungen in einem Überblick.

Autor/in:
Von Annika Schmitz und Gottfried Bohl
Das Privatleben soll im kirchlichen Arbeitsrecht nicht mehr im Fokus stehen (shutterstock)
Das Privatleben soll im kirchlichen Arbeitsrecht nicht mehr im Fokus stehen / ( shutterstock )

Was tun mit der Kindergartenleiterin, die nach Scheidung neu heiratet? Mit der aus der Kirche ausgetretenen Hebamme im katholischen Krankenhaus oder dem Organisten in einer homosexuellen Partnerschaft? Bei ihrem Treffen im Ständigen Rat haben die 27 deutschen Ortsbischöfe am Dienstag grundlegende Änderungen im Arbeitsrecht der katholischen Kirche beschlossen. Wichtige Fragen und Antworten zur aktuellen Sachlage in einem Überblick der Katholischen Nachrichten-Agentur:

Kirchliches Arbeitsrecht im Wandel der Zeit

Das eigenständige Arbeitsrecht der Kirchen ist in den vergangenen Jahren von verschiedenen Seiten massiv unter Druck geraten. Jetzt haben sich die katholischen Bischöfe auf eine Reform verständigt, nach der die private Lebensgestaltung, das Beziehungsleben und die Intimsphäre der Beschäftigten keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten sollen.

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten.

Bischöfe für liberaleres kirchliches Arbeitsrecht (dpa)
Bischöfe für liberaleres kirchliches Arbeitsrecht / ( dpa )

Warum haben die Kirchen in Deutschland ein eigenes Arbeitsrecht?

Das Grundgesetz räumt Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht ein - auch im Arbeitsrecht. Auf dieser Grundlage unterscheiden sich die Bedingungen für die rund 1,3 Millionen Mitarbeitenden der beiden großen Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände von denen im weltlichen Arbeitsrecht.

Wo ist das kirchliche Arbeitsrecht geregelt?

Auf katholischer Seite gilt seit 1994 die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". 2015 haben die Bischöfe diese liberalisiert. Zuletzt gerieten aber auch diese Regelungen mehrfach in Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Gerichtshofs für Menschenrechte (IGMR). Dabei ging es vor allem um die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union.

In Deutschland scheint das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eher weitere Liberalisierungen zu wünschen, während das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Rückgriff auf das Grundgesetz eher die geltenden Regeln hochhält.

Am 22. November haben die sich die Bischöfe nun auf den Entwurf eines neuen Arbeitsrechts für die rund 800.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der katholischen Kirche und bei der Caritas geeinigt.

Für wen gilt die Grundordnung?

Sie gilt für alle Angestellten in katholischen Einrichtungen. Dazu gehören Bistümer, Pfarrgemeinden, Schulen, Kitas, Kliniken und Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Caritas.

Was sind die wichtigsten Neuerungen in der neuen Grundordnung?

Bislang durfte die Kirche von Mitarbeitenden sogenannte "Loyalitätsverpflichtungen" einfordern. Dabei ging es um Anerkennung und Achtung der "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre". Die Kindergartenleiterin, die nach Scheidung neu heiratet, die aus der Kirche ausgetretenen Hebamme und der Organist in einer homosexuellen Partnerschaft mussten mit einer Kündigung rechnen.

Bei den neu gefassten Loyalitätsverpflichtungen bleibt als einziger Kündigungsgrund "kirchenfeindliches Verhalten" erfasst. Privatleben, Familienstand und sexuelle Identität sollen keine Rolle mehr spielen. Die katholische Identität eines Unternehmens soll durch Leitbilder, eine christliche Organisationskultur und durch die Vermittlung christlicher Werte sichergestellt werden und nicht durch die private Lebensführung der Mitarbeitenden. Als Arbeitgeber will sich die Kirche aus den intimen Verhältnissen ihrer Angestellten heraushalten.

Warum konnten homosexuelle und andere queere Menschen in der Kirche bislang ihren Job verlieren?

Nach katholischer Lehre ist die kirchlich geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau die einzig anerkannte. Allerdings gelten nach der Grundordnung von 2015 weder Homosexualität noch das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe grundsätzlich als Loyalitätsverstoß. Eine Kündigung konnte nach der Ordnung aber dennoch erfolgen, wenn die Partnerschaft "objektiv" dazu geeignet ist, "ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen".

Gilt das neue Arbeitsrecht umgehend?

Nein. Die Neuordnung des kirchlichen Arbeitsrechts wurde zunächst von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) mit erforderlicher Mehrheit, also mehr als zwei Drittel der Stimmen, beschlossen. Die Neufassung ist allerdings zunächst nur eine Empfehlung an die Bistümer. Umsetzen muss sie jeder einzelne Ortsbischof.

Wie wurde der neue Entwurf im Vorfeld aufgenommen?

Viele sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung. Reforminitiativen ging der Entwurf aber nicht weit genug, manche kritisierten, der Begriff "kirchenfeindliches Verhalten" sei zu unscharf und lasse zu viele Interpretationen zu. Vielen konservativen Katholiken - auch im Vatikan - geht die Neuordnung dagegen zu weit.

Aus Politik und Gewerkschaften gibt es zudem Stimmen, die das eigene Arbeitsrecht für die Kirchen insgesamt infrage stellen. Auch einige Bischöfe wie etwa Gregor Maria Hanke aus Eichstätt haben sich für die Übernahme des zivilen Arbeitsrechts ausgesprochen.

Die Bundesregierung will vermutlich im April über eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts beraten. Im Koalitionsvertrag steht, man wolle zusammen mit den Kirchen eine Angleichung des kirchlichen Arbeitsrechts an das staatliche ausloten.

Quelle:
KNA