Birlikte-Festival trotz Unwetter friedlich beendet

"Heute geht es uns gut"

Drei Tage lang wurde auf der Keupstrasse in Köln an das Bombenattentat der NSU-Terrorgruppe vor 10 Jahren gedacht. Dramaturg und Mitorganisator Thomas Laue erzählt im domradio.de-Interview von den besondere Momenten.

Vertreter aus Politik und Medien auf der Birlikte-Bühne (dpa)
Vertreter aus Politik und Medien auf der Birlikte-Bühne / ( dpa )

domradio.de: Wahrscheinlich war das für Sie  ein relativ anstrengendes Pfingstwochenende. Wie geht es Ihnen denn heute am Tag danach?

Thomas Laue (Mitorganisator von "Birlikte"): Mir geht es ganz gut. Die Stimme ist ein bisschen weg, aber es war ja nicht nur anstrengend. Es war auch sehr schön, weil es sehr viele beglückende Momente mit all den Menschen gab. Einerseits mit denen, die auf den Bühnen standen, aber auch mit den vielen Zehntausenden, die davor standen.

domradio.de: Es waren ja unheimlich viele Prominente da: Udo Lindenberg hat auf der Bühne gestanden, Clueso war da, der Bundespräsident natürlich auch. Gibt es denn so einen Moment, der Ihnen besonders nahe gegangen ist?

Laue: Die Highlight-Momente sind ja meistens eher in den stillen Momenten zu finden, und gar nicht so sehr, wenn viele tolle Leute auf der Bühne stehen. Für mich war eigentlich einer der bewegenden Momente Sonntagnacht: Als ich mit Meral Sahin (Anmerk.d.Red.: Vorsitzende der IG Keupstrasse) nach dem Kulturfest über die Keupstrasse gelaufen bin, und alle waren am Aufräumen. Es sah wirklich chaotisch aus, und alle waren auf der Straße. Die Zuschauer waren weg und es waren hauptsächlich die Geschäftsleute da. Wir sind dann über die Straße gegangen, am Friseursalon von Hasan und Özcan Yildirim vorbei. Und wir haben die beiden gesehen, wie sie im Salon stehen und auf die Straße blicken. Hasan und Özcan sagten mir dann: 'Heute geht es uns gut'. Das war eigentlich der schönste Moment, den ich persönlich erlebt habe. Vor allem, weil es natürlich die Menschen sind, für die man das in erster Linie gemacht hat. Allen war wichtig, dass sie zufrieden sind mit dem was wir gemeinsam auf die Beine gestellt haben.

domradio.de: Das Fest hieß ja: Birlikte – zusammenstehen. Kam es denn tatsächlich zu einem richtigen Zusammenstehen?

Laue: Ja, man hat es gemerkt. Man hat es eigentlich an allen Veranstaltungstagen gemerkt. Es waren ja drei insgesamt. Zum Beispiel die Premiere von uns am Schauspiel, als die Leute nach der Premiere wirklich aufgestanden sind, um den Leuten aus der Keupstrasse, die auch auf der Bühne standen, zu applaudieren. Am Sonntag ist etwas passiert, das mich wirklich sehr beeindruckt hat. Wir dachten ja, dass wir vorsichtig um 11 Uhr mit einem Frühstück anfangen und dann das Programm langsam gegen mittags steigern. Ab 11 Uhr war aber tatsächlich schon richtig was auf der Straße los. Es war voll und die Leute waren neugierig aufeinander, und vor allem unglaublich friedlich. Wir hatten über den ganzen Tag verteilt 70.000 Menschen auf der Straße, aber es kam zu keinen Vorfällen. Ich glaube es hat einen Taschendiebstahl gegeben, das war alles. Es war so friedlich, wie wir alle es uns niemals hätten vorstellen können. Das Gleiche gilt auch für gestern. Leider mussten die Veranstalter von 'Arsch Huh' und von der Stadt das Konzert abbrechen, und das war auch richtig. Es war ein wahnsinniges Unwetter, das danach runtergekommen ist. Es gab da nicht einen Moment von Aggressionen, sondern alle haben das verstanden und sind friedlich gegangen. Das ist glaube ich ein großes Zeichen, weil die Leute, die dort gemeinsam im Publikum gestanden haben, wirklich ganz unterschiedlich waren. Es war eine ganz andere Zusammensetzung von Publikum, als man das normalerweise auf solchen Veranstaltungen findet.

domradio.de: Ist denn jetzt an dieser Stelle noch etwas geplant? Wird es in Zukunft noch mehr solcher Veranstaltungen geben?

Laue: Ich glaube man muss jetzt mal gucken, was diese Veranstaltung ausgelöst hat. Das ist erstmal das Wichtige. Man kann sich ja jetzt nicht von Großereignis zu Großereignis hangeln. Wir haben jetzt alle die Verantwortung zu gucken, dass das, was mit Birlikte begonnen hat, auch Früchte trägt. Das es nicht ein einmaliges Lippenbekenntnis gegen Rechts war, sondern das wir die Botschaft, die hier so eindrucksvoll rübergekommen ist auch gemeinsam leben. Das bedeutet ganz konkret, dass wir jetzt vom Schauspiel weiter Projekte mit den Leuten aus der Keupstrasse machen. Wir sind ja noch mindestens eineinhalb Jahre Nachbarn. Es werden aber erst einmal kleinere Projekte sein, die in der Nachbarschaft stattfinden. Die Kölner sind natürlich weiter aufgefordert die Keupstrasse zu besuchen, nicht nur an diesem einen Tag. Sie sollen auch neugierig sein, zum Beispiel darauf, wie sich die Menschen außerhalb der Keupstrasse verhalten, wie sie den Geist von Birlikte im Alltag, leben können.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Quelle:
DR