Betroffenensprecher kritisiert Vorpreschen der Landeskirchen

"Fokus sollte jetzt nicht bei den Zahlen liegen"

Der Sprecher der Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche, Detlev Zander, hat einzelne Landeskirchen kritisiert. Noch vor der Präsentation einer übergreifenden Missbrauchsstudie hatten diese Zahlen veröffentlicht.

Detlev Zander / © Heike Lyding (epd)
Detlev Zander / © Heike Lyding ( epd )

"Ich beobachte, wie jetzt viele Landeskirchen ihre Missbrauchszahlen vor der Veröffentlichung der ForuM-Studie bekanntgegeben", schrieb Zander, Sprecher der Betroffenen im Beteiligungsforum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), am Freitag auf Facebook.

"Der Fokus sollte jetzt nicht bei den Zahlen liegen", kritisierte er. Betroffene hätten es statt, die ständigen Entschuldigungen zu hören, wenn alles so bleibe wie in der Vergangenheit.

Zander erwartet Beben in der Kirche

Ein unabhängiger Forschungsverbund hat seit 2020 sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie untersucht. Die Ergebnisse werden am kommenden Donnerstag veröffentlicht. Die ForuM-Studie werde in der Kirche ein Beben auslösen, erklärte Zander.

"Wer danach nicht bereit ist, tiefgreifende Reformen in der EKD zuzulassen, der oder die muss sein oder ihr Bischofskreuz abgeben und zurücktreten."

Hinter jeder Zahl stecke ein Mensch, der im christlichen Umfeld unerträgliches Leid erfahren habe. Die Zukunft der evangelischen Kirche hänge maßgeblich davon ab, wie mit den Ergebnissen der Studie umgegangen werde. Die Studie soll erstmals Berechnungen zu bundesweiten Fallzahlen enthalten sowie Erörterungen über strukturelle Ursachen von sexualisierter Gewalt in der Kirche seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute.

Einzelne Landeskirchen hatten Zahlen genannt

Die bayerische und die rheinische Landeskirche hatten in dieser Woche bereits Zahlen zu mutmaßlichen Tätern und Opfern kommuniziert.

Der rheinische Präses Thorsten Latzel hatte sich am Donnerstag bei Betroffenen von Missbrauch öffentlich entschuldigt. Menschen "auf allen Ebenen" der Evangelische Kirche im Rheinland hätten in der Vergangenheit "dem Schutz des Ansehens der Kirche oder Trägern einen zu hohen Stellenwert" eingeräumt, sagte er in Düsseldorf. Dem Leid von Betroffenen sei kein gleichwertiger Stellenwert eingeräumt worden.

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd