Bethlehem feiert Weihnachten in Zeiten des Terrors

"Brüderlichkeit steht nicht in den Sternen"

Tausende Christen - aber auch Muslime ließen sich von keiner Gefahr abschrecken: In der Geburtstadt Jesu feierten sie gemeinsam Weihnachten. Für das neue Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land war es eine Premiere.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Krippenplatz in Bethlehem am 24. Dezember / © Andrea Krogmann (KNA)
Krippenplatz in Bethlehem am 24. Dezember / © Andrea Krogmann ( KNA )

Auch wenn 2016 in Nahost wieder ein Schreckensjahr war: Bethlehem schaut zufrieden auf das zurückliegende Jahr und optimistisch nach vorn. Die Hotels hatten das Jahr über eine gute Auslastung, an Weihnachten sind sie laut palästinensischen Angaben gar ausgebucht, und auch der Krippenplatz füllte sich am 24. Dezember wieder mehr als im Vorjahr. Mit zwei Millionen Touristen rechnete Bürgermeisterin Vera Baboun für 2016. Allein im Dezember besuchen nach israelischen Schätzungen rund 60.000 Christen das Heilige Land - erstaunliche Nachrichten angesichts der Anschläge, Kriege und Verfolgungen, die das Jahr in der Region prägten.

Jüngste Attentate in Ägypten und Jordanien überlagerten Nachrichten wie die der Befreiung Aleppos. "Müde und desorientiert von dem, was um uns geschieht" seien die Menschen, sagte der neue Leiter des lateinischen Patriarchats im Heiligen Land, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, in seiner Weihnachtspredigt. "Der Stern, der uns den Weg zeigt, er scheint zu fehlen." Trotz des beängstigenden Weltgeschehens rief der Apostolische Administrator, der erstmals als Nachfolger des emeritierten Patriarchen Fouad Twal den Weihnachtsfeierlichkeiten in Bethlehem vorstand, zum Mut zur Brüderlichkeit auf.

Offene Türen statt geschlossener Grenzen

Offene Türen statt geschlossener Grenzen war eine der zentralen Botschaften Pizzaballas in der Heiligen Nacht. Vielleicht auch deshalb machte er es anders als seine Vorgänger: In der Bethlehemer Altstadt angekommen, stieg er aus dem Auto und machte sich im Gefolge hunderter trommelnder Pfadfinder zu Fuß auf den Weg durch die engen Straßen zum Krippenplatz. "An Weihnachten ist das Tor Gottes offen", so das Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land. Es lade dazu ein, "das Risiko der Freiheit" einzugehen, erinnerte Pizzaballa die Menschen, die trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und vielleicht auch mit gemischten Gefühlen gekommen waren. Die Menge, unter ihnen auch viele Muslime, dankten es ihm mit Jubel.

Dieses "Gefühl von Unsicherheit und Misstrauen", von dem der Norditaliener sprach, es war an diesem Weihnachtsfest auch in Bethlehem deutlicher spürbar als in den Vorjahren. "Wenn man die vielen Soldaten sieht, gerade auf dem Krippenplatz, dann macht man sich schon Gedanken", sagt Georg Berkeler. Ganz fremd ist dem Deutschlehrer und seiner Partnerin das hohe Sicherheitsaufgebot nicht. Die beiden leben eigentlich in Jordanien und wollten "dieses Event in Bethlehem" nicht verpassen. "An die Kontrollen gewöhnt man sich", sagen sie, es sei "erschreckend, wie sehr man abstumpft". 

Palästinensische Sicherheitskräfte kontrollierten die Zugänge zum Krippenplatz. Zur Geburtskirche und der benachbarten Katharinenkirche wurde bereits am Nachmittag nur durchgelassen, wer im Besitz eines Einlasstickets für die Mitternachtsmesse war, und Metalldetektoren und Personenkontrollen galten ganztags für die Besucher des bedeutenden Gotteshauses. 

Bethlehem ist Weihnachten

Indische und asiatische Pilger dominierten die Gruppe der ausländischen Besucher, aber auch viele einheimische Christen kamen in die Geburtsstadt Jesu. "Jedes Jahr kommen wir mit der ganzen Familie", sagt Eliana aus Haifa, "wegen der Atmosphäre". Wie die Heilige Familie seien sie von Nazareth nach Bethlehem gekommen, "weil Jesus hier geboren ist". Denn schließlich "ist Bethlehem Weihnachten, von hier ist das Licht in die Welt gekommen." Nicht nur Christen hatten sich auf den Weg gemacht, auch muslimische Palästinenser feierten mit. "Es ist eine wunderbare Gelegenheit für meine Kinder, zu erfahren, dass wir Geschwister sind", sagt etwa Sara aus Hebron.

Bethlehem ist keine Hauptstadt, hat Papst Franziskus in seiner letzten Generalaudienz gesagt. Und doch schaut einmal mehr in dieser Nacht eine Welt in Aufruhr auf die Hoffnung, die von der kleinen Stadt ausgeht. Ob der "Durst nach Gerechtigkeit und Würde, der Wunsch nach Liebe und Brüderlichkeit" erfüllt werde, schloss Erzbischof Pizzaballa seine Weihnachtspredigt in der vollen Katharinenkirche, "steht nicht in den Sternen, sondern in unsrer freien und verantworteten Wahl".

 


Quelle:
KNA