Berliner Johannesstift übernimmt Caritas-Heime in Hannover

Druck auf Mitarbeiter?

Die bundesweit erste Übernahme sechs insolventer katholischer Einrichtungen durch einen evangelischen Träger ist nach wochenlangen Konflikten besiegelt. Das Evangelische Johannesstift in Berlin wird rückwirkend zum 1. August 90 Prozent der Gesellschaftsanteile der Caritas Seniorendienste Hannover gGmbH übernehmen. Die Gewerkschaft ver.di kritisiert "Druck auf Mitarbeiter".

 (DR)

Von einem «historischen Moment» sprach der Vorsteher des Berliner Evangelischen Johannesstifts, Martin von Essen, von einem «kleinen Wunder» noch dazu. Bundesweit erstmals übernimmt ein evangelischer Träger in finanzielle Not geratene katholische Pflegeeinrichtungen in größerem Umfang. Rückwirkend zum 1. August gehören die «Caritas Seniorendienste Hannover GmbH» (CSH) mit 580 Beschäftigten und 530 Heimplätzen zu 90 Prozent dem Berliner Diakoniewerk. Mit zehn Prozent bleibt der Caritasverband Hannover weiter Gesellschafter der Einrichtungen.

Umstritten ist die Übernahme vor allem wegen der Folgen für die
Mitarbeiter: Das Evangelische Johannesstift bezahlt seine Angestellten nach dem niedrigeren Tarif der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Für die einzelnen Mitarbeiter ergeben sich dadurch Gehaltsabsenkungen von bis zu 13 Prozent. «Eine Insolvenz hätte aber mit Sicherheit zu größeren Gehaltseinbußen beziehungsweise einem Stellenabbau geführt», sagt der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes Hannover, Propst Martin Tenge, am Donnerstag vor Journalisten in der Messestadt. Noch im März habe die CSH kurz vor einer Insolvenz gestanden, ein Termin mit dem Amtsgericht sei bereits vereinbart gewesen, so Tenge. «Die Rahmenbedingungen in Niedersachsen sind unerträglich, und lassen es nicht zu, qualifizierte Altenpflege durchzuführen.»

Das Evangelische Johannesstift will sich dennoch darum bemühen. Bei weitem die meisten Mitarbeiter der Caritas-Einrichtungen hätten die Übernahme akzeptiert, sagt von Essen. «In fünf der sechs Einrichtungen liegt die Zustimmung bei knapp 100 Prozent.» Lediglich in der sechsten Einrichtung hätten bislang nur 60 Prozent der Beschäftigten den neuen Arbeitgeber akzeptiert. Welche Einrichtung das ist, erfahren die Medienvertreter freilich ebenso wenig wie die exakte Zahl der unterschriebenen Verträge. Auch über den Kaufpreis der Immobilien des Caritasverbandes sei Stillschweigen vereinbart worden.

Die Mitarbeiterseite beklagt schon lange eine mangelnde Transparenz. «Uns wurde die Übernahme erst kurz vor der Pressekonferenz mitgeteilt», sagt Annette Klausing vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. «Den Beschäftigten der Caritas-Seniorendienste kann man nur raten, sich morgen eine Zeitung zu kaufen, um über das Schicksal ihres Arbeitgebers und ihres Arbeitsplatzes näheres zu erfahren.» Auch bedeute die hohe Quote der unterschriebenen Verträge nicht, dass die Beschäftigten mit dem Vorgehen der Träger einverstanden seien. Vielmehr sei auf sie ein «massiver Druck» ausgeübt worden.

In manchen Einrichtungen seien die Mitarbeitervertretungen systematisch diskreditiert worden, beklagt Christine Janus, die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung in der Caritas Sozialstation Hannover ist. Zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin werde sie beim Kirchlichen Arbeitsgericht in Hamburg klagen. «Ich habe schließlich einen unbefristet gültigen Arbeitsvertrag mit der Caritas.» Für die Bewohner der katholischen Alten- und Pflegeheime wird sich aus Sicht der Verantwortlichen dagegen wohl nichts ändern.

«Neben dem Logo der Altenhilfe des Evangelischen Johannesstifts wird auch weiterhin das Logo der Caritas, als klares Zeichen der Zusammenarbeit, Bestandteil unseres Auftritts bleiben», sagt Martin von Essen. Insgesamt sei die Übernahme ein Stück gelebter Ökumene:
«In den Heimen gibt es ja überall bereits eine ökumenisch geistliche Gemeinschaft, und wir wollen alles daran setzen, dass sie wächst.» Und Tenge ergänzt: «Wir haben im Johannesstift einen Partner gefunden, von dem wir glauben, dass die schon vorhandenen ökumenischen Erfahrungen in einer intensiven ökumenischen Zusammenarbeit weiter entwickelt werden, und das Hannover damit ein modellhafter Standort für die Altenpflege werden kann.»

Die Lust zur Kooperation jedenfalls war den beiden Partnern am Donnerstag durchaus anzusehen - und der Stiftsvorsteher des Johannesstifts bekannte freimütig, derzeit auch mit anderen evangelischen Sozialeinrichtungen in Berlin über eine verstärkte Zusammenarbeit zu verhandeln.