An Berliner Jesuitengymnasium jahrelang Schüler missbraucht

"Keine Einzelfälle"

Zwei Jesuiten-Patres haben am renommierten Berliner Canisius-Kolleg jahrelang und systematisch Schüler sexuell missbraucht. Nach Angaben des Rektors der Schule, Pater Klaus Mertes, ereigneten sich die Übergriffe wahrscheinlich zwischen 1975 und 1983. Die namentlich bekannten Täter seien nicht mehr an dem privaten Gymnasium tätig und hätten den Jesuitenorden bereits Ende der 80er Jahre verlassen. Beide seien offenbar sehr beliebt gewesen.

 (DR)

Konkret bekannt wurden laut Mertes bisher sieben Fälle des Missbrauchs an Jungen zwischen 13 und 17 Jahren. Wegen der wahrscheinlich sehr hohen Dunkelziffer habe er vergangene Woche rund 500 Briefe an alle ehemaligen Schülerinnen und Schüler der fraglichen Jahrgänge geschrieben, sagte Mertes am Donnerstag vor Journalisten in Berlin. Damit wollte er die Aufklärung vorantreiben und im Namen der von Jesuiten betriebenen Schule die Opfer um Entschuldigung bitten. Auszuschließen sei auch nicht, dass Mädchen betroffen waren.

Bekannt geworden sind die Fälle offenbar infolge eines Abitur-Treffens im vergangenen Jahr. Daraufhin hätten sich im Dezember und Januar fünf der Opfer bei Mertes gemeldet und um ein Gespräch gebeten. Die Betroffenen stünden untereinander in engem Kontakt, sagte der Schulleiter. Erstmals informiert über die sexuellen Missbräuche wurde Mertes eigenen Angaben nach aber bereits 2004/05, als sich zwei andere Opfer vertraulich an ihn wandten. Diese ehemaligen Schüler hätten aber um absolutes Stillschweigen gebeten. Dem habe er entsprochen. «Ich quäle mich mit der Frage, ob ich früher hätte reagieren sollen», fügte der Jesuit wörtlich hinzu.

Nach einem von der katholischen Bischofskonferenz 2002 beschlossenen Reglement müssen Fälle sexuellen Missbrauchs in katholischen Einrichtungen an eigens eingesetzte Beauftragte gemeldet werden.

Mertes, der seit 1994 das Canisius-Kolleg leitet, räumte ein, dass es an der Schule immer wieder Gerüchte über die Vorfälle gegeben habe: «Auf Gerüchte kann ich aber kein Verfahren in Gang setzen.»

Die in München ansässige Leitung der deutschen Jesuiten-Ordensprovinz kündigte volle Unterstützung bei der Aufklärung und sprach Mertes ihr «uneingeschränktes Vertrauen» aus.
Mit den weiteren Ermittlungen hat die Schule die Missbrauchsbeauftragte des Ordens, die Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue, beauftragt.

Das Canisius-Kolleg ist eigenen Angaben zufolge eine von bundesweit drei Schulen dieser Art und gilt in Berlin als Elitegymnasium. Bis Ende der 70er Jahre war es eine reine Jungenschule. Derzeit werden am Canisius-Kolleg 850 Schülerinnen und Schüler von etwa 60 Lehrern unterrichtet. Sechs davon sind Jesuitenpater.