Berliner Erzbischof Koch besucht Flüchtlingsunterkunft

"Wir helfen Euch von Herz zu Herz"

Nirgendwo in Deutschland kommen mehr Menschen aus der Ukraine an als in Berlin. Auch das dortige Erzbistum engagiert sich. Es gehe um praktische und auch seelsorgliche Hilfe von Herz zu Herz, betont Erzbischof Heiner Koch.

Berlin: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sitzen in der "Welcome Hall Land Berlin“ / © Carsten Koall (dpa)
Berlin: Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sitzen in der "Welcome Hall Land Berlin“ / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was haben Sie für Eindrücke aus der Flüchtlingsunterkunft mitgebracht? 

Erzbischof Heiner Koch (Erzbischof von Berlin): Es war für mich eine sehr bewegende Erfahrung dort, vor allem mit den jungen Familien zu sprechen, die im Caritaszentrum angekommen sind. Da sind sehr viele junge Frauen mit relativ kleinen Kindern. Man merkt ihnen diese große Erleichterung an, angekommen zu sein, zum Teil wirklich sehr erschöpft und auftankend, aber dankbar und froh, hier so eine Unterkunft bekommen zu haben, wie wir sie dort einrichten konnten. Das war schon sehr eindrucksvoll.

Heiner Koch, Erzbischof von Berlin

"Man merkt ihnen diese große Erleichterung an, angekommen zu sein."

Ich habe gemerkt, wie überrascht die Kinder waren, dass sie so herzlich von den Menschen dort aufgenommen worden sind. Ich habe zum Beispiel mit einem Mädchen gesprochen, das seit dem vierten Lebensjahr auf der Ballettschule ist und jetzt hier ist und so schnell auch in der Ballettschule in Berlin mitmachen kann. Sie war ganz glücklich, wenn man das sagen darf.

Auf der anderen Seite sind natürlich überall die Not und die Angst, wie es den Daheimgebliebenen geht, auch wenn die Menschen mit vielen telefonieren können. Die Trennung ist, glaube ich, furchtbar für diese Menschen. 

Erzbischof Heiner Koch / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie konnten Sie mit den Frauen und den Kindern reden? Hatten Sie Übersetzer dabei? 

Erzbistum Berlin

Das Erzbistum Berlin umfasst das Land Berlin, den größten Teil Brandenburgs sowie Vorpommern und einen kleinen Teil Sachsen-Anhalts. In seinen Kirchengemeinden leben rund 400.000 Katholiken, davon rund 312.000 in Berlin. Während die Zahl der Katholiken im Raum der Bundeshauptstadt wächst, geht sie in den ländlichen Gebieten zurück. In seiner jetzigen Form wurde das Erzbistum 1994 errichtet. Erzbischof Dr. Heiner Koch übernahm die Bistumsleitung am 19. September 2015. Bischofssitz ist die St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin-Mitte.

Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 (shutterstock)
Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin / © frantic00 ( shutterstock )

Koch: Ja, Gott sei Dank haben wir Übersetzer. Wir haben ja hier in Berlin eine unierte katholisch-ukrainische Gemeinde mit knapp 700 Mitgliedern, die sich ganz in den Dienst stellen. Wir haben auch eine ganze Reihe von älteren Menschen, die Russisch gelernt haben, das geht dann auch darüber. Und einige können Englisch. Aber mit Kindern, muss ich ganz ehrlich sagen, klappte die Kommunikation ohne Worte oder mit Gesten und einzelnen Worten schon am besten. 

DOMRADIO.DE: Bei Ihnen im Erzbistum Berlin herrschen besondere Umstände. Flächenmäßig ist Berlin ein wirklich großes Erzbistum mit dem Ballungsraum Berlin-Brandenburg-Vorpommern. Zahlenmäßig aber spielen die nur rund 400.000 Katholiken keine so große Rolle. Was können Sie da als Erzbistum überhaupt leisten? 

Koch: Wir haben eine ganze Reihe von Einrichtungen geöffnet, zum Beispiel unsere Kinder- und Jugendbildungsstätte Buchhorst. Dort wird ein Kinder-Waisenhaus eingerichtet. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass die Kinder von ukrainischer Seite nicht zu uns durchkommen und dieses Vorhaben erstmal abgesagt ist. Es sind Kinder eines anderen Waisenhauses nun vorgesehen, die in den nächsten Tagen zu uns kommen sollen.  

Heiner Koch, Erzbischof von Berlin

"Wir versuchen auf allen möglichen Wegen, die wir haben, zu helfen."

Viele Katholiken haben auch Menschen privat aufgenommen. Das sind oft auch Menschen, die nur drei oder vier Tage in Berlin bleiben und dann weiterreisen. Wir haben eine ganze Reihe von Pfarrzentren zur Verfügung gestellt.

Hier kommen die Flüchtlinge nachts an. Die müssen dann irgendwo, gerade wenn auch Kinder dabei sind, übernachten, bevor dann die weitere Versorgung am Tag erfolgen kann. Also, wir versuchen auf allen möglichen Wegen, die wir haben, zu helfen.

Vor allen Dingen haben wir die Seelsorge für die Ukrainer ausgebaut und personell aufgestockt. Das ist enorm wichtig, denn es sind traumatisierende Erlebnisse und Erfahrungen dahinter. Ich erlebe unter den Flüchtlingen tief fromme Menschen, die froh sind, wenn es in ihrer Landessprache Gottesdienste gibt und wenn es Menschen gibt, die ihnen seelsorglich zur Seite stehen. Das ist ein tiefer Wunsch der Menschen, dem wir uns als Kirche natürlich in besonderer Weise verpflichtet fühlen. 

Berlin: Helfer verteilen Lebensmittel an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine / © Carsten Koall (dpa)
Berlin: Helfer verteilen Lebensmittel an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine / © Carsten Koall ( dpa )

DOMRADIO.DE: Bekommen Sie auch Unterstützung von anderen deutschen Bistümern? 

Koch: Die deutschen Bistümer werden ja tendenziell auch Menschen aufnehmen. Wir sind, wenn Sie so wollen, gerade in Berlin auch einen Durchlauf-Station. Wir arbeiten vor allen Dingen mit den polnischen Nachbarbistümern Stettin, Landsberg und Breslau zusammen, die sehr viele Menschen aufgenommen haben.

Und wir haben eine Gebetsgemeinschaft mit den polnischen Bistümern aufgebaut. Wir beten jeden Tag für den Frieden in der Ukraine über die Ländergrenzen hinweg mit polnischen, deutschen und ukrainischen sowie auch russischen Menschen.

Das ist mir wichtig, weil hier gesehen werden muss, wie kritisch auch viele Russen den Krieg wahrnehmen und wie stark auch die russischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hier oftmals inzwischen auch angegriffen werden. 

Heiner Koch, Erzbischof von Berlin

"Ich möchte nicht, dass Menschen, die aus der Ukraine kommen, auf der Straße stehen."

DOMRADIO.DE: Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin? Sind Sie da als Erzbistum auch Ansprechpartner? Stimmen Sie sich ab? Wie läuft das? 

Koch: Wir stimmen uns ab. Es gibt einen Schaltkreis, in dem wir auch drin sind. Die Sozialsenatorin Kipping hat mich sofort angerufen. Seitdem vor ein paar Jahren die Menschen aus Syrien gekommen sind, besteht eine enge Zusammenarbeit. Das bewährt sich jetzt. Die Strukturen stimmen und laufen. Das gilt auch für das Land Brandenburg.

Wir hatten letzten Donnerstag die Konferenz mit der gesamten Landesregierung. Ich war ganz erstaunt, wie selbstverständlich das miteinander geht. Wir sind ein bewährter Helfer. Unser Caritasverband steht da mit erfahrenen Leuten bereit, die über die Grenze ihrer Kräfte hinaus arbeiten.

DOMRADIO.DE: Was möchten Sie als Erzbischof der Hauptstadt den Menschen, die nach Deutschland gefohen sind, gerne mitgeben?

Koch: Die Hoffnung nicht aufgeben, dass es Frieden gibt. Die Verbundenheit im Gebet und die Bereitschaft der Hilfe sind wichtig. Wir haben am Sonntag wieder eine große Kollekte im Bistum. Wir helfen euch vor allen Dingen von Herz zu Herz. Ich möchte nicht, dass Menschen, die aus der Ukraine kommen, auf der Straße stehen. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Quelle:
DR