In Berlin wird "schönstes Obdachlosenheim der Welt" eröffnet

"Jetzt sieht det hier schon besser aus"

Das nach Ansicht des Trägers "schönste Obdachlosenheim der Welt" wird heute in Berlin eröffnet. Der 100.000 Euro teure Umbau erfolgte im Rahmen eines Kunstprojektes.

Autor/in:
Barbara Schneider
 (DR)

Das Heim solle Obdachlosen ein Gefühl von Würde und Respekt vermitteln. Zwölf Quadratmeter nennt Wolfgang Binder sein Reich. In Jogginghose und buntem Sweatshirt steht der ehemals wohnungslose Mann unter dem glitzernden Kronleuchter. Auf dem Tisch liegt eine Fernsehzeitung, daneben steht ein Aschenbecher. Mehrere Guppys schwimmen im Neonlicht eines Aquariums. "Jetzt sieht det hier schon besser aus", meint der wortkarge Mann. Er hat sich ein Glas Bier eingegossen. Seit sieben Jahren lebt der 55-Jährige in dem Männerwohnheim in Berlin-Schöneweide. An diesem Mittwoch wird die Unterkunft als "schönstes Obdachlosenheim der Welt" neu eröffnet.

Die Idee stammt von der Berliner Künstlerin Miriam Kilali. Vor rund einem Jahr hat sie begonnen, die Obdachlosen-Unterkunft umzugestalten. Der blaue Teppichboden wurde herausgerissen, Handwerker haben im Eingangsbereich die sterilen Fleischerfliesen von den Wänden geschlagen. Jetzt geben Stuckornamente an den hohen Decken und aufgesetzte Pilaster dem Haus ein barockes Antlitz. In jedem Zimmer blitzt zudem an der Decke ein Glaslüster und taucht den Raum in hoheitlichen Glanz.

Reichtum gehört in diesem Haus zum Konzept. Über den halbhoch an die Wände geklebten Strukturtapeten hat die Künstlerin im ganzen Haus eine goldene Bordüre anbringen lassen. "Gold steht symbolisch für den Reichtum." Für den Reichtum des Lebens, das Bejahen von Lebendigkeit und Schönheit, meint sie und ergänzt den ihrer Idee zugrundeliegenden
Satz: "Schöne Orte wirken wohltuend auf uns und spenden Energie." "Reichtum 2" heißt das Projekt. Einen Vorläufer, das Sozialhotel Marfino, hat Kilali bereits in Moskau verwirklicht.

Neue Wertschätzung
"Die Bewohner bekommen durch das Projekt eine Wertschätzung, die sie so in ihrem ganzen Leben noch nie erfahren haben", sagt die Leiterin der Einrichtung, Edeltraud Hörnschemeyer. Der Altbau im Stadtteil Schöneweide war früher mal ein Hotel, seit sieben Jahren leben in dem Wohnheim in diakonischer Trägerschaft 20 ehemals obdachlose Männer im Alter von 40 bis 68 Jahren. Einen Teil der Bewohner kennt Hörnschemeyer vom Einzug an. "Viele haben Hardcore hinter sich." Jahrzehntelanger Alkoholmissbrauch, gescheiterter Entzug, Obdachlosigkeit. Das Wohnheim in Schöneweide ist für viele Bewohner die erste dauerhafte Adresse nach Jahren.

Stolz zeigt Nico Herrmann sein Zimmer. In der neuen weißen Vitrine sitzen unzählige Stoff- und Keramikenten aufgereiht. Selbst in seinem Bett türmt sich fast menschengroßes Stoffgetier. Der 40-Jährige ist ein leidenschaftlicher Sammler, der 500 Enten sein Eigen nennt. Sofort kommt er mit der Künstlerin ins Gespräch und kramt seine neuste Flohmarkt-Errungenschaft, eine schwarz-weiße Ente mit Namen Miriam, hervor. Einige Bewohner wollen am Tag der Einweihung einen Ausflug in den Spreewald machen, erzählt er und schüttelt den Kopf. "Nicht alle Männer mögen eben den Rummel", ist dazu wenig später von Einrichtungsleiterin Hörnschemeyer zu erfahren.

"Is' doch schön hier"
Insgesamt haben die Umbauarbeiten bislang 100.000 Euro gekostet, für neue Möbel im Wohn- und Aufenthaltsraum fehlt noch das Geld. Dort lässt sich an der durchgesessenen Couch und den schwarzen Polsterstühlen noch erahnen, wie es vor einem Jahr im ganzen Haus aussah. "Die Umgestaltung wurde aus Spendengeldern finanziert", sagt Kilali. Die neue Einrichtung haben sich die Bewohner aus einem Katalog ausgesucht.

Und noch etwas gehört zu dem Konzept: In jedem Zimmer hängt nun eine gerahmte Fotografie, die die Künstlerin aufgenommen hat. Für sein Zimmer hat sich Wolfgang Binder einen vorbeirauschenden Zug ausgesucht. Großformatig hängt das Bild über seinem Bett. Und Wolfgang Binder thront stolz auf seinem weißen Sessel unter dem Fenster. "Is' doch schön hier, wieso soll ick da noch raus!", sagt er.