Kälteeinbruch in der Hauptstadt

Berlin bringt Obdachlose unter

Eisige Temperaturen, heftige Schneefälle: Für Obdachlose könnte der vorhergesagte Wintereinbruch in den nächsten Tagen lebensgefährlich werden. Berlin holt die Menschen von der Straße. Dagegen gibt es auch Kritik.

Obdachloser im Winter / © Thibault Camus (dpa)
Obdachloser im Winter / © Thibault Camus ( dpa )

Wegen des erwarteten Kälteeinbruchs in den nächsten Tagen versucht Berlin, so viele Obdachlose wie möglich von der Straße zu holen. Das Bezirksamt Lichtenberg teilte in der Nacht zum Samstag mit, 100 Wohnungslosen in der Rummelsburger Bucht sei eine Notunterbringung in Unterkünften der Kältehilfe angeboten worden.

Die Flächen entlang der Kynaststraße gelten als eines der größten Obdachlosencamps der Hauptstadt. Durch die extreme Wetterlage mit sehr kalten Temperaturen und starkem Schneefall bestehe Lebensgefahr beim Übernachten im Freien, erklärte das Bezirksamt.

Räumung stieß auch auf Protest

Eine sichere Unterbringung sei notwendig. Unterstützt wurde der Umzug der Obdachlosen den Angaben zufolge von Einsatzkräften des Deutschen Roten Kreuzes, der Feuerwehr, der Polizei, des Technischen Hilfswerkes und sozialer Träger vor Ort.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stellten Busse zum Transport der Menschen in die Unterkünfte bereit. Die Räumung stieß allerdings auch auf Protest. Am Samstagmittag versammelten sich rund 40 Menschen an der Kynaststraße nahe dem Ostkreuz zu einer Spontandemonstration.

Zu wenig Übersetzter

Sie warfen dem Bezirk vor, mit der Aktion Obdachlose um ihre Habe und zusätzlich in Gefahr zu bringen. Bewohner hätten etwa nicht mehr ihre persönlichen Wertsachen aus dem Camp holen können, sagte die Anmelderin der Spontandemonstration.

Sie kritisierte außerdem, dass zuwenig Übersetzer für die häufig nicht Deutsch sprechenden Obdachlosen vor Ort gewesen seien. Die Protestaktion verlief friedlich und ohne Störungen. Der Lichtenberger Sozialstadtrat Kevin Hönicke (SPD) wies die Vorwürfe zurück.

100 Plätze in Friedrichshainer Hostel

Schon seit Freitagnachmittag seien Sozialarbeiter und Übersetzer vor Ort gewesen, die den Menschen geholfen hätten. Auch hätten die Bewohner durchaus persönliche Dinge mitnehmen können. Zwang sei nicht ausgeübt worden.

Wegen der zu erwartenden Wettersituation erweitert die Stadt laut der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales ihre Angebote. Es stünden ab Samstagabend in einem Hostel in Friedrichshain 100 Plätze Tag und Nacht zur Verfügung.

Erstmals Notübernachtung nur für Frauen in Potsdamm

Auch in Reinickendorf solle am Sonntag eine Einrichtung mit 100 Plätzen eröffnen. In den bestehenden Einrichtungen der Kältehilfe stehen den Angaben zufolge aktuell 1.090 Notübernachtungsplätze zur Verfügung.

Auch die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam wies am Samstag auf die bestehenden Angebote für wohnungslose Menschen hin. Erstmals werde dort in diesem Jahr auch eine Notübernachtungsstelle ausschließlich für Frauen angeboten.

Bürgerinnen und Bürger sollen auf Hilfebedürftige achten

Die Potsdamer Stadtverwaltung bat Bürgerinnen und Bürger um erhöhte Aufmerksamkeit, wenn Menschen im öffentlichen Raum übernachten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) hatte bereits am Freitag vor weiteren Kältetoten gewarnt.

Kommunen sollten jetzt zusätzliche Kälteschutzangebote rund um die Uhr öffnen, Bürgerinnen und Bürger auf Hilfsbedürftige achten. In diesem Winter seien deutschlandweit schon mindestens 17 Wohnungslose erfroren, davon drei in Berlin.


Quelle:
epd