Benno Fürmann über Schuld und gesellschaftliche Verantwortung

"Erst einmal bei sich selbst aufräumen"

Der Schauspieler Benno Fürmann spielt in dem düsteren Kinofilm "Volt" einen Polizisten in naher Zukunft, der einen Flüchtling tötet und mit seiner Schuld nicht fertig wird. Im Interview erzählt er über gesellschaftliche Verantwortung.

Benno Fürmann im Kinofilm "Volt" / © Felix Gemein (dpa)
Benno Fürmann im Kinofilm "Volt" / © Felix Gemein ( dpa )

domradio.de: Warum haben Sie sich entschieden, bei diesem Film mitzuspielen?

Benno Fürmann (Film- und Fernsehschauspieler): Es ist ein zeitgemäßes Thema, das uns in Deutschland, der EU und in der Welt umtreibt. Für mich als Schauspieler, der sich intensiv mit der Rolle auseinandersetzt, ist das Thema Schuld spannend. Wenn man sich wie Volt nicht traut, die Wahrheit zu sagen, weil das Erlebnis frisch ist und man es nicht einordnen kann. Und dann wird die Schuld zu einem Stein, mit der man nicht umgehen kann. Man möchte ihn aus dem Körper hinauskatapultieren, hinausspeien. Das ist hochspannend.

domradio.de: Der Polizist Volt im Film kann in seinem Job sehr gnadenlos sein. Aber jetzt hat er einen Flüchtling im Nahkampf getötet. Warum treibt ihn das so um?

Fürmann: Volt tötet im Affekt, und er kann sich das selbst nicht ganz erklären. Wir können ja auch nicht immer unsere Taten erklären. Zum Glück wurde ich von mir selber vor solchen Taten geschützt. Aber nicht jeder Mörder ist kaltblütig. Und das Interessante ist, dass es selbst bei kaltblütigen Mördern ein Bedürfnis nach Sühne gibt. Wir wollen ja alle zur menschlichen Gemeinschaft dazugehören. Keiner will ausgestoßen sein. Deshalb gehen selbst die härtesten Typen zur Polizei, nachdem sie jahrelang mit ihrer Schuld herumgelaufen sind, aber dann sagen, ich kann nicht mehr. Ich will jetzt meine Schuld anerkennen, ich will sie äußern und bestraft werden und dann wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Und so ähnlich geht es Volt. Er läuft mit seiner Schuld durch seine Welt und vereinsamt immer mehr. Und irgendwann sucht er den Kontakt zu der Schwester des Ermordeten.

domradio.de: Er schleicht sich nachts in die hermetisch abgeriegelte Transitzone zurück zum Tatort. Seine Kollegen aber sind gar nicht interessiert, dass ein Schuldiger gefunden wird …

Fürmann: Weil es ihnen um die eigene Existenz geht. Wenn es herauskäme, dass diese Spezialpolizeieinheit, die eh in Verruf ist, noch den toten "Blacky", so ein polizeiinterner Slang wie in Köln die Nafris, auf dem Gewissen haben, dann würde die Truppe aufgelöst werden. Sie leben zwar sehr einfach und in Sicherheit, aber die Wände ihrer Wohnzimmer sind auch poröser geworden. Sie haben nicht mehr so viel sozialen und emotionalen Schutz. Und so geht es bei allen Beteiligten letztendlich ums Überleben. Keiner ist stabil. Und ich glaube, das spiegelt auch unsere Gesellschaft wider. Die Angst in Deutschland ist größer als vor ein paar Jahren. Vor ein paar Jahren konnten wir uns keinen Krieg vorstellen. Hoffentlich werden wir das auch nie erleben müssen, aber so ganz ausschließen können wir das auch nicht mehr. Die soziale Absicherung ist schwächer geworden. Wir wissen, wir können schneller durch das soziale Netz fallen. Das spiegelt sich auf seine Weise auch in unserem Film wider.

domradio.de:  In ihrem Film herrscht in den Transitzonen das Recht der Stärkeren. Ohne Werte wie Nächstenliebe hat keiner Schuld, kann jeder machen, was er will. Sind diese Werte heute in Gefahr?

Fürmann: Ich glaube, ja. Gerade im rechten Spektrum sucht man die Feinde immer im Außen. Das ist nicht sinnstiftend. Ich glaube, da hilft es, sich einfach mal selber im Spiegel anzuschauen. Erst, wenn man selber bei sich so halbwegs aufgeräumt hat, kann man anfangen, sich mit dem Gegenüber so zu beschäftigen, dass man wirklich Kritik üben kann. Dieser unbändige Hass, der gerade im Internet unterwegs ist, ist nur ein Indikator für Dinge, die grundlegend falsch laufen. Mir kann keiner erzählen, dass dieser Hass mit dem ersten Flüchtling, der den Fuß auf deutschen Boden gesetzt hat, angefangen hat. Der war schon vorher da. Und auch, wenn der letzte Flüchtling des Landes verwiesen worden ist, wird der Hass nicht weg sein. Man muss also viel intensiver darüber nachdenken, wie es sein kann, dass ich die Schuld immer im Unten zum Beispiel bei Flüchtlingen suche.

domradio.de: Und woher kommt dann dieser Hass?

Fürmann: Da gibt es Zusammenhänge, über die mir in diesem Kontext zu wenig gesprochen wird. Kann es nicht sein, dass die soziale Ungerechtigkeit oder die Misere meines Lebens andere Ursachen hat als die Flüchtlingsbewegung – zum Beispiel in den Vorstandsetagen der großen Konzerne? Die soziale Marktwirtschaft war früher sozialer als heute. Als Arbeitnehmer ist man viel austauschbarer und kündbarer als zuvor. Vieles läuft in der aktuellen Diskussion völlig verquer: da wird die Sicherheitsdebatte mit der Flüchtlingsdebatte permanent vermengt. Als wäre jeder Flüchtling ein vollbärtiger Bombenschmeißer – dann müssten wir Deutsche alle Nazis sein. Dagegen verwahre ich mich doch auch. Wir sind Menschen! Gerade im Internet und in digitalen Medien ist die Gefahr groß, dass man verallgemeinert und Menschen nicht mehr als Menschen wahrnimmt, sondern die Debatte wird anonym aus der Distanz geführt. Es ist gefährlich, wenn wir aufhören Menschen ein Gesicht zu geben. Ich glaube an persönliche Begegnung.

domradio.de: Wer sich nicht für andere Menschen engagiert, macht sich schuldig?

Fürmann: Ich glaube, in dem Maße, in dem wir anderen Menschen Hilfe versagen, müssen wir uns unterlassene Hilfeleistung anlasten.  

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Quelle:
DR