Mitten auf der sandigen Straße steht ein riesiges Plastikzelt. Darunter sind in langen Reihen weiße Stühle aufgestellt, die Lautsprecher bis zum Anschlag aufgedreht. Getränke sind kalt gestellt, und das Essen wird gleich angeliefert. Jemand ist in Benin gestorben, jetzt kann die Party beginnen.
Geld im Krankheitsfall fehlt dagegen oft
Der katholische Priester Andre Quenum hat selbst schon so manche große Beerdigung erlebt. Immer häufiger stellt er fest, wie bizarr in seiner Heimat, in der rund neun Millionen Menschen leben, der Umgang mit dem Tod geworden ist. "Viele Familien sind nicht in der Lage, 100 Euro aufzubringen, wenn jemand krank wird. Niemand ist bereit, ihnen Geld für eine Behandlung im Krankenhaus zu leihen. Stirbt aber jemand, dann helfen alle. Plötzlich ist es überhaupt nicht schwierig, 500 Euro für eine Beerdigung aufzutreiben."
Tod und Beerdigung werden zum Event, bei dem Angehörige zeigen, wie viel Geld sie haben und was ihnen der Verstorbene wert ist. "Manchmal wird die ganze Beerdigung gefilmt. Später schaut sich niemand das Video mehr an. Es wird spezielle Musik bestellt, und natürlich gibt es für die Gäste etwas zu essen", hat Priester Andre Quenum häufig beobachtet. Ob der Verstorbene nur in einer ärmlichen Hütte gelebt hat - egal. Zu Lebzeiten hat sich niemand darum gekümmert, für eine bessere Wohnung zu sorgen.
Freuen über die seltsamen Ausmaße dürften sich jene, die von Beerdigungen und Trauerfeiern leben. "Häufig werden vier verschiedene Kleider genäht" - nur ein Beispiel, das Hodonou Coffi Damien, Inhaber des Leichenhauses Proci, nennt. Getragen werden sie bei den unterschiedlichen Zeremonien, etwa beim Besuch der Familie des Verstorbenen oder bei der eigentlichen Beisetzung.
Doch bis zur Beisetzung kann es dauern. "Mindestens zehn Tage sind die Leichen bei uns", sagt Hodonou Coffi Damien. So lange dauere es, bis etwa geklärt ist, wann und wie der Verstorbene in seinem Heimatort beerdigt werden soll. Denn selbst wer Jahre oder Jahrzehnte in Cotonou gelebt hat, Benins Hafenstadt und Wirtschaftsmetropole, soll in seiner Heimat und bei seinen Vorfahren beigesetzt werden. Häufig müssen aber auch erst Kinder und Verwandte anreisen, die in Europa und den USA leben.
Beerdigungskosten in Höhe eines Jahreseinkommens
Der Betreiber des Leichenhauses, das 30 Plätze hat, muss die toten Körper daher nicht selten einen Monat oder noch länger konservieren. Auch das kostet Geld - wie viel genau, verrät der diskrete Bestatter nicht. Doch die Kosten können schnell auf weit mehr als 1.000 Euro steigen, in einem Land, in dem das durchschnittliche Jahreseinkommen nach Berechnungen des World Factbooks bei gerade mal rund 1.100 Euro liegt.
Nicht nur bei Christen oder Muslimen, die zusammen knapp 80 Prozent der Einwohner ausmachen, spielt der Tod eine entscheidende Rolle im Leben. Auch im Voodoo, jener alten Religion, zu der sich noch heute etwa jeder fünfte Beniner offen bekennt. Daher hat sich in Grand Popo, einer kleinen Stadt kurz vor der Grenze zu Togo, Fetischpriesterin Kagodo auf den Draht zum Jenseits spezialisiert. Die Frau mit dem runden, freundlichen Gesicht nimmt Kontakt zu Verstorbenen auf.
Francoise nimmt diesen Dienst gerne an. Mit Tränen der Erleichterung tritt sie nach der zweistündigen Zeremonie aus dem kleinen Haus von Kagodo. "Ich habe gerade mit meinem Vater gesprochen, der seit acht Jahren tot ist", sagt sie. "Ich bin sehr zufrieden mit dem, was er mir gesagt hat." Umsonst ist das Gespräch also nicht gewesen, so oder so. Streng festgelegt sind die Preise nicht; doch für eine Zeremonie nimmt Kagodo bis zu 60 Euro. Und wenn es beim ersten Mal nicht so richtig funktioniert, empfiehlt sie: "Noch einmal kommen." Dann könnte die Verbindung besser sein.
In Benin werden Beerdigungen mit größtem Aufwand gefeiert
Umsonst ist nur der Tod
"Der Mensch wird geboren, um zu leben und zu sterben", so lautet ein Sprichwort in Benin. In dem westafrikanischen Land wird jeder Tod mit einem großen Fest gefeiert. Warum für Tote häufig mehr Geld ausgegeben als für Lebende, erklärt der katholische Priester Andre Quenum.
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