Manchmal mag einen der Eindruck beschleichen, dass Geld vielleicht doch glücklich zu machen scheint; wenigstens für den Moment. In jedem Fall lässt die bemerkenswerte Ausrichtung einer Hochzeit "biblischen" Ausmaßes in Venedig aufhorchen und angelehnt an ein bekanntes Sprichwort ausrufen: Geld ist Macht – denn wer hat schon die Mittel, gleichsam die halbe Stadt Venedig zu kaufen und für seine Hochzeit als Kulisse und Event-Location zugleich zu beanspruchen.
Die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Venedig. War man da nicht dran, die viel zu vielen Touristen durch erhöhte Preise abzuschrecken, gerade weil es für Stadt wie für Einwohner einfach zu viel wurde? Bei Herrn Bezos und seiner Gattin scheint der Preis jedenfalls gestimmt zu haben…
Einiges geht mir durch den Kopf, wenn ich aus der Ferne und über die Medien etwas von dieser "Hochzeit" höre. Natürlich ist die Hochzeit per se ein froher Anlass, ein Anlass zum Feiern. Bewusst habe ich mir 2011 zum Pontifikalamt, in welchem ich in die Hand meines damaligen Abtes Benedikt Müntnich meine Ewige Profess abgelegt habe, die Perikope der Hochzeit zu Kana aus dem Johannesevangelium ausgesucht. Diese Perikope ist immer das erste Argument gegen die der Kirche und dem Christentum von manchen unterstellte Leib- und Lebensfeindlichkeit.
Dennoch: Insbesondere Papst Franziskus hat sich den Mund fusselig geredet, nicht den Anspruch, den die Bibel, den das Evangelium, den der Herr selbst an die Ehe anlegt, ob expandierenden Feierwillens dranzugeben. Natürlich braucht man diesen Anspruch in Venedig gar nicht anzuführen; hier geht es um Selbstinszenierung, weil man es kann. Doch Analogien lassen sich ziehen – auch hinein in unsere Breiten und in unseren Alltag, insbesondere, wenn es um den Anspruch einer ordentlichen Vorbereitung geht.
Keinesfalls bin ich da naiv, die Uhren der Welt und die Uhren der Kirche und deren Ansprüche ticken da einmal mehr asynchron. Dürfen wir deshalb aber gar keine Ansprüche mehr haben? Warum lassen wir uns so oft in einen spirituellen Schlussverkauf hineinziehen? Der pastorale Auftrag ist da die eine Seite, die Bitte um den Empfang der Sakramente die andere – da darf und da muss man sich auf Augenhöhe begegnen.
Jede "schöne" oder gar prominente Kirche steht im Fokus besonderer Anfragen, insbesondere für Festivitäten jeder Art. Und selbstverständlich sollten wir mit der Schönheit, der Ästhetik unserer Sakralräume nicht hinterm Berg halten. Wir sollten uns aber auch nicht anbiedern. Das gilt für halbnackte Tänzer mit Chlorhühnchen oder eben für prunkvolle Feierlichkeiten. Der Anspruch, der an uns als Kirche gestellt ist, ist nämlich dieser: Aller "Prunk", alle architektonische Schönheit, alle künstlerische Ästhetik hat letztlich keinen Selbstzweck, vielmehr stehen diese Dinge für eine andere Dimension, sie weisen auf etwas, nein, auf jemanden hin. Wenn dieser Jemand aber keine Rolle mehr im "heiligen Geschehen" spielt, dann führt sich der kirchliche Auftrag von selbst ad absurdum.
Freilich tut es jeder affinen Seele weh, wenn eine Kirche profaniert und ihrem genuinen Zweck entfremdet und einer anderen Nutzung zugeführt wird – und da wird zurecht viel gerungen. Die Faszination für das Gebäude "Kirche" schimmert durch und bleibt. Denken wir nur an alle die Folklore um den Kölner Dom, der von unfassbar mehr Leuten in Kneipen, in Clubs, beim Karneval oder CSD besungen wird als er zur Feier der Liturgie besucht wird. Kirche als Raum war und ist immer auch ein Statussymbol. Gerade aber deshalb braucht es Klarheit über den Zweck des Sakralraums, der ja gerade den, der ihn betritt, herausheben soll aus dem Profanen des Alltags.
Maria Laach als Edelbordell?
Als Benediktinerabtei bekommen wir in Maria Laach keinerlei Kirchensteuer und müssen für den Unterhalt der Klostergemeinschaft, der Konventgebäude und des Seetals selbst sorgen. Als Fundraiser der Abtei betone ich gerne, dass es bisweilen ein Leichtes wäre, diesen Unterhalt durch die nötigen Summen zu besorgen. Man erlaube mir ein sehr krasses Beispiel: Aus einem Gebäudeteil ein Edelbordell zu machen, würde gewisse Leute sicher anziehen; wir wären die finanziellen Sorgen los, aber eben auch kein Kloster, kein geistlicher Ort mehr, der ja die Menschen eben als solcher anzieht.
Dass das Patriarchat Venedig die Kirche Madonna dell’Orto dafür hergibt, ist bemerkenswert, womöglich hat auch hier der Preis gestimmt. Ich denke an die Debatte in der kirchlichen Bubble rund um die Hochzeit von Christian Lindner auf Sylt. Irgendwie berührt es, dass Menschen, die bewusst nicht in der Kirche sind, die nicht getauft sind oder sich als fernstehend oder gar Atheisten bezeichnen, dennoch den "kirchlichen" Rahmen – das ist hier sehr weit gefasst – erbitten oder gar beanspruchen. Das ruft bei einem "Nein" teils emotionale Reaktionen bei den Bittstellern hervor, bei einem "Ja" auf der Seite derer, die sich als bekennende Christen in gewisser Weise verraten fühlen. Der Grad also zwischen einem Zugeständnis, einem wie auch immer weit gefassten pastoralen Auftrag und einer Geschmacklosigkeit ist schmal.
Von meiner Kirche, von Mitbrüdern in der Seelsorge wünschte ich mir da manchmal mehr Kreativität, denn bisweilen braucht es weder ein feierliches Brautamt, noch einen hochzeitlichen Wortgottesdienst. Da tut es auch eine gute Ansprache oder Rede, angemessen (geistlich) gekleidet, und ein Segen für die feiernden Menschen, um Gottes Liebe unter den Menschen zu platzieren, ohne zu verraten, was an Anspruch aus dem Evangelium an die erwächst, die ihr Leben als Eheleute sakamental verbunden vor Gott in der Kirche leben wollen. Wir sollten die Menschen hier mehr ernstnehmen, die das alles nicht wollen, und bisweilen mutiger darauf hinweisen, dass das eben gerade dann auch Konsequenzen hat, wenn man an den entscheidenden Schnittstellen von Geburt, Hochzeit oder Tod steht.
Dass ein Event wie die "Hochzeit" von Lauren Sánches und Jeff Bezos in Venedig einfach nur drüber ist, steht außer Frage. In unserem Alltag hingegen brauchen wir manchmal mehr Mut zu einem klaren "Nein", manchmal mehr Kreativität beim Blick auf Menschen und ihre bisweilen drolligen Wünsche nach "Seelsorge", ohne uns anzubiedern. Und manchmal braucht es einfach nur das offene Ohr, um zu hören, was der eigentliche Grund für eine Anfrage ist, über die man zuerst einmal den Kopf schütteln möchte. Ein gutes Wort, gepaart mit einer guten und verständlichen Erklärung über "go" und "no-go" im Raum der Kirche könnte vielleicht kommunikative Wunder wirken.
Zum Autor: Pater Philipp Meyer OSB ist Kantor der Abtei Maria Laach und Chordirektor der von ihm gegründeten Cappella Lacensis. Für die Abtei ist er ferner als Fundraiser tätig.