Benedikt XVI. trifft Vertreter aus Politik und Kirchen

Der Papst in Polen

Papst Benedikt XVI. hat an den polnischen Klerus appelliert, sich stärker an die Seite der Mitmenschen zu stellen. Das Land stehe vor großen pastoralen Herausforderungen, sagte er am Mittag in der Warschauer Johannes-Kathedrale. Wegen Arbeitslosigkeit würden viele Polen beispielsweise gezwungen, ins Ausland zu gehen.

 (DR)

Papst Benedikt XVI. hat an den polnischen Klerus appelliert, sich stärker an die Seite der Mitmenschen zu stellen. Das Land stehe vor großen pastoralen Herausforderungen, sagte er am Mittag in der Warschauer Johannes-Kathedrale. Wegen Arbeitslosigkeit würden viele Polen beispielsweise gezwungen, ins Ausland zu gehen. Angesichts getrennter Familien und zerbrechender sozialer Bindungen könne die Kirche nicht gleichgültig bleiben, forderte der Papst vor rund 1.000 Geistlichen. Auch die Polen im Ausland brauchten Begleitung.

Spezialisten für die Begegnung mit Gott
Benedikt XVI. rief die Kleriker dazu auf, sich voll auf die Seelsorge zu konzentrieren. "Von Priestern erwarten die Gläubigen nur eines: dass sie Spezialisten für die Begegnung zwischen Mensch und Gott sind." Es sei nicht nötig, dass sie in allen aktuellen und sich ändernden Denkrichtungen bewandert seien. Sie sollten vielmehr "Zeugen der ewigen Weisheit" sein. Zugleich warnte das Kirchenoberhaupt vor "Versuchungen des Relativismus".

Benedikt XVI. appellierte an die Geistlichen, die christliche Botschaft offen und selbstbewusst weiter zu tragen. In der Zeit des Totalitarismus sei eine unbewusste Neigung entstanden, sich hinter einer Maske zu verbergen. Dies behindere die Seelsorger und könne zu einer übertriebenen Konzentration auf sich selbst führen. Zugleich mahnte Benedikt XVI. zu einem intensiven spirituellen Leben.

Am Ende der Begegnung mit dem Klerus begab sich Benedikt XVI. zu einem kurzen Gebet an das Grab des früheren polnischen Primas Stefan Wyszynski (1901-81) in einer Seitenkapelle der Kathedrale. Von der Kathedrale aus fuhr Benedikt XVI.  zu einem privaten Mittagessen auf Einladung von Kardinal Jozef Glemp in das Erzbischöfliche Palais von Warschau.

Ankunft des Pontifex
Nach zweieinhalbstündigem Flug war Benedikt XVI. kurz nach 11 Uhr auf dem militärischen Teil des Warschauer Flughafens Okecie gelandet.

Der Papst kam lächelnd die Gangway hinunter, verzichtete aber auf den von seinem Vorgänger her gewohnten Bodenkuß. Nach einem Händedruck mit Präsident Lech Kaczynski wechselte der Papst ein paar Worte mit dem Warschauer Primas, Kardinal Joseph Glemp. Danach wurden die vatikanische und die polnische Hymne intoniert. Benedikt verneigte sich vor der Fahne des Gastlandes und sagte auf polnisch: "Danke, Soldaten."

Kaczinsky erklärte in seiner Ansprache: "Wir haben, Heiliger Vater, vom Anfang Ihres Pontifikats an auf Sie gewartet." Er sei stolz, dass Polen gewissermassen Ziel der ersten Auslandsreise Benedikts sei, und danke dafür, wie der Papst die Arbeit seines Vorgängers, "des größten Sohns der polnischen Erde", fortsetze. Polens Traditionen gründeten auf dem katholischen Glauben: "Polnisch sein, das heißt auch Pluralismus und nicht geistige Enge." Der Präsident, der als EU-kritisch gilt, erwähnte die Mitgliedschaft seines Landes in der EU, betonte aber, Polen wolle die Zukunft des Bündnisses aus christlichem Geist mitgestalten.

Polens Präsident würdigt Papst als größten Theologen der Gegenwart
An den Papst gewandt, rühmte der Präsident "den größten Theologen der Gegenwart". "Zu den Polen kommt ein Hirte aus Deutschland - das ist ein Wink Gottes, denn Polen und Deutsche sind sich sehr nahe, oft getrennt durch die Geschichte, doch die Gegenwart gibt uns das beste Zeichen einer Zusammenarbeit zwischen einem Polen und einem Deutschen." Versöhnung zwischen beiden Völkern könne im Geist des katholischen Glaubens gelingen.
Der Präsident erinnerte daran, dass Johannes Paul II. 1979 in Warschau ausgerufen habe: "Komm Heiliger Geist und erneuere das Angesicht dieser Erde!" Damit habe er seiner Nation zu einem moralischen Neuanfang verholfen. Die Polen seien durch Papstreisen "immer besser" geworden; er hoffe, das sei auch diesmal der Fall. Er erwähnte auch den für Sonntag geplanten Besuch des Papstes in Auschwitz und sprach von einem "Zeichen für Versöhnung und Frieden".

Papst betet für deutsch-polnische Versöhnung
Benedikt XVI. begann seine Begrüßungsansprache in polnischer Sprache, wofür es von den Zuhörern Beifall gab. Mit Blick auf seinen für Sonntag geplanten Auschwitz-Besuch sagte der Papst "Beten wir gemeinsam darum, dass die Wunden des vergangenen Jahrhunderts unter der Vermittlung des guten Gottes heilen." Gott fordere zu einer gegenseitigen Vergebung auf.

Anschließend verlasen der Papst und ein polnischer Kleriker die weiteren Teile der Rede im Wechsel - der Kleriker auf polnisch, Benedikt hingegen in italienischer Sprache. Anschließend stellte der Ministerpräsident ihm das neue polnische Kabinett vor, und Kardinal Glemp präsentierte die Mitglieder der polnischen Bischofskonferenz.

Die elf Kilometer lange Fahrstrecke vom Flughafen in die Warschauer Innenstadt hatte Benedikt XVI. im Papamobil zurückgelegt. Mehrere zehntausend Menschen standen entlang der Fahrtstrecke und bereiteten dem Papst einen freundlichen und farbenfrohen Empfang.

Polens Zeitungen begrüßen Papst
Mit Ausnahme der kommunistischen "Trybuna" widmen alle polnischen Tageszeitungen ihre Schlagzeilen dem Papstbesuch. "Ganz Polen wartet auf Benedikt XVI.", prangt auf der Frontseite der Warschauer Zeitung "Zycie Warszawy". "Heiliger Vater, wir begrüßen Dich in Polen", titelt die überregionale "Rzeczpospolita". "Der Papst im Lande des Papstes", heißt es im liberal-konservativen "Dziennik". Die liberale "Gazeta Wyborcza" schreibt auf ihrer ersten Seite: "Was wir vom Papst wollen".

Alle Zeitungen betonen, dass Benedikt XVI. mit der Polenreise seinem Vorgänger Respekt und Ehre bezeugen wolle. Allerdings werde Benedikt XVI. keineswegs Johannes Paul II. imitieren, schreibt der Krakauer Bischof Tadeusz Pieronek im "Dziennik".

Außerdem stellen die polnischen Blätter die große symbolische Bedeutung des Papstbesuchs im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau heraus. Mit seiner Anwesenheit will der Papst laut "Zycie Warszawy" zeigen, dass der Nationalsozialismus kein Ausdruck einer charakteristisch deutschen Geisteshaltung gewesen sei.

Papst trifft auch Polnischen Ökumenischen Rat
Am Nachmittag wird er in Warschau mit dem Polnischen Ökumenischen Rat in der lutherischen Dreifaltigkeitskirche zusammentreffen. Damit werde unterstrichen, dass es in Polen weitere christliche Glaubensbekenntnisse neben der katholischen Kirche gebe, sagte der lutherische Theologe und Direktor des Polnischen Ökumenischen Rates, Andrzej Wojtowicz, am Mittwoch dem epd. Der Polnische Ökumenische Rat gilt als die älteste Einrichtung dieser Art in Europa. Er feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen.

Die katholische Kirche gehört dem Rat nicht an. Die zahlenmäßig größte Gruppe stellen die orthodoxe Kirche mit rund 600.000 und die lutherische Evangelisch-Augsburgische Kirche mit rund 80.000 Mitgliedern. Dazu kommen weitere kleinere Kirchen wie die Alt-Katholiken oder Freikirchen.

Weitere Stationen der Papstreise
Nach einer Begegnung mit dem Klerus der Johannes-Kathedrale steht am Abend ein Höflichkeitsbesuch bei Polens Staatspräsident Lech Kaczynski auf dem Programm.

Am Freitagmorgen feiert Benedikt XVI. eine Messe auf dem Pilsudski-Platz. Hier hatte Johannes Paul II. 1979 eine Predigt gehalten, die als ein Startsignal für die Solidarnosc-Bewegung und die Wende in Polen gilt.

Weitere Stationen sind der Wallfahrtsort Tschenstochau und Krakau. Ferner besucht Benedikt XVI. am Samstag Wadowice, den Geburtsort seines Vorgängers Johannes Paul II.

Vor allem mit jugendlichen Christen feiert das Kirchenoberhaupt am Sonntagmorgen eine Messe, zu der mehrere hunderttausend Menschen erwartet werden. Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am Sonntagnachmittag bildet den Abschluss des Besuchsprogramms. Dort wird das Kirchenoberhaupt der mehr als einer Million Ermordeten gedenken. (KNA)

Vor Ort ist Gudrun Sailer von Radio Vatikan, sie berichtet über die letzten Stunden vor Ankunft des Pontifex. Silke Schmidt war bei der umjubelten Ankunft dabei.

Hilde Regeniter traf Pater Marcin von der Katholisch-Polnischen Mission.

Winfried Lipscher ist Mitglied der Deutsch-Polnischen Gesellschaft und fasst die Hoffnungen, die Polen mit diesem Papst-Besuch verbindet, zusammen.