Benedikt XVI. segnet Foto der verschwundenen Madeleine stellvertretend für alle verschwundenen Kinder

Geste der Anteilnahme und des Gebets

Die Eltern der vor einem Monat in Portugal verschwundenen Madeleine sind vom Papst zu einer persönlichen Begegnung empfangen worden. Am Ende der Generalaudienz traf Benedikt XVI. am Mittwoch auf dem Petersplatz mit Kate und Gerry McCann zusammen. Er sprach kurz mit den schwarz gekleideten Eltern, drückte ihre Hände und segnete ein Foto des vierjährigen Mädchens, das die Eltern ihm zeigten.

 (DR)

Madeleine McCann war Anfang Mai in einer Ferienanlage an der Algarve-Küste verschwunden. Die tief gläubigen Eltern hatten zuvor bereits eine Pilgerreise zum portugiesischen Marienwallfahrtsort Fatima unternommen. Das Treffen mit dem Papst hatte der Erzbischof von Westminister, Kardinal Cormac Murphy O'Connor, vermittelt.

Die Eltern waren am Morgen aus Portugal kommend in Rom eingetroffen. Ihre zweijährigen Zwillinge hatten sie dort zurückgelassen. Während der eineinhalbstündigen Generalaudienz saßen sie - im dunklem Anzug und Kostüm - in der ersten Reihe im linken Besucherblock vor dem Petersdom. Nach seiner Ansprache und dem Schlusssegen begrüßte der Papst wie an jedem Mittwoch nacheinander Kardinäle, Bischöfe, Missionare, Ordensschwestern, Künstler sowie eine Gruppe von Kranken.

Ein langer Händedruck
Danach kam Benedikt XVI. auf die Eltern McCann zu, die sichtlich angespannt und mit geröteten Augen auf die Begegnung warteten.
Der Papst drückte beiden lange die Hände, sagte einige Worte, sprach ihnen offenbar Trost zu und versicherte sie seines Gebets. Die Mutter antwortete kurz. Der Papst segnete die Eltern und dann das in einem Plastikrahmen steckende Foto von Madeleine, das die Eltern ihm reichten.

Sie seien "mit widersprüchlichen Gefühlen" in den Vatikan gereist, sagten die Eltern des Mädchens bei der Ankunft auf dem Petersplatz vor Journalisten. Unter normalen Umständen wäre dies ein sehr bewegendes Erlebnis; sie könnten jedoch nicht vergessen, dass Madeleine nicht mit ihnen zusammen sei, sagte Gerry McCain: "Wir durchleben eine sehr harte Erfahrung." Bei einer anschließenden Pressekonferenz in der britischen Vatikan-Botschaft wollten die Eltern über ihre Initiative berichten und auf das Schicksal ihrer Tochter aufmerksam machen.

Lombardi: Unterstützung für alle Eltern verschwundener Kinder
Der Papst habe durch das Treffen den Eltern von Madeleine und alle Personen in einer ähnlichen Situation seine Verbundenheit und geistige Unterstützung zum Ausdruck bringen wollen, betonte Vatikansprecher Federico Lombardi in Anschluss. Es handele sich um eine Geste der Anteilnahme und des Gebets für alle Eltern, verschwundener Kinder. Benedikt XVI. habe damit die Familie von Madeleine unterstützen wollen, aber auch all jene, die sich auf der Suche oder im Kampf gegen Verbrechen und Entführungen befinden.

Katechese: "Genial zu sein, reicht nicht."
Ein großer Theologe müsse bescheiden sein und die Schwächen der Kirche genauso wie seine eigenen anerkennen. Das sagte der Papst vor rund 50.000 Gläubigen auf dem Petersplatz. Anlass für die nachdenklichen Worte war die Katechese über Tertullian, "dem nordafrikanischen Schriftsteller, mit dem gegen Ende des zweiten Jahrhunderts die christliche Literatur in lateinischer Sprache ihren Anfang nahm".

Der Papst wörtlich: "Die Person und das Leben dieses wichtigen christlichen Lehrers haben auch ihre Schattenseiten: Seine zu sehr auf sich selbst gestellte Suche nach der Wahrheit und seine teilweise sehr harten Urteile über seine Mitchristen führten ihn in eine fortschreitende Isolierung; er verließ schließlich die Gemeinschaft der Kirche und gründete eine Sekte. Viele seiner Aussagen sind aber weiter von Bedeutung für das Glaubensverständnis der Kirche. So stammt von ihm das bekannte Wort über das Zeugnis der Märtyrer: Semen est sanguis christianorum; das Blut der Christen, die in Zeiten der Verfolgung aus Liebe zu Gott den Tod erleiden, ist eine Saat, die aufgeht und reiche Frucht bringt. In diesem Bild kommt auch die Hoffnung auf die Auferstehung zum Ausdruck. Von großem Interesse für unsere Zeit ist schließlich die Überzeugung Tertullians, dass die Seele des Menschen ,von Natur her christlich' (naturaliter christiana) ist. Der christliche Glaube und die Gnade Gottes stehen nicht nur nicht im Widerspruch zu den menschlichen Werten, sondern führen diese zur Reifung und verleihen ihnen Festigkeit."

Die deutschsprachigen Pilger waren heute in der Mehrheit. Unter ihnen nicht nur zahlreiche Pfarreiwallfahrten, sondern auch Chöre und Musikgruppen, die Aufstellung auf dem Petersplatz genommen hatten. Der Papst: "Voll Freude begrüße ich die zahlreichen Pilger und Besucher aus dem deutschen Sprachraum. Unter ihnen heiße ich besonders die Sänger und Musiker aus dem Bamberger Dom und aus Traunstein willkommen, sowie die zahlreichen Jugendlichen und Ministranten. Der Heilige Geist mache uns alle zu lebendigen Gliedern der Kirche und zu mutigen Zeugen des Evangeliums. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom."