Benedikt XVI. pilgert zum "Heiligen Antlitz" von Manoppello

Ein Papst geht auf Tuchfühlung

Wer auf einen päpstlichen Schiedsspruch im Streit um das legendäre Abbild Jesu von Manoppello gehofft hatte, musste sich enttäuscht sehen. Benedikt XVI. kam in das mittelitalienische Bergdorf, betete in der kleinen Wallfahrtskirche vor dem durchscheinenden Gewebe, das die Züge eines bärtigen Männergesichts zeigt.

 (DR)

Wer auf einen päpstlichen Schiedsspruch im Streit um das legendäre Abbild Jesu von Manoppello gehofft hatte, musste sich enttäuscht sehen. Benedikt XVI. kam in das mittelitalienische Bergdorf, betete in der kleinen Wallfahrtskirche vor dem durchscheinenden Gewebe, das die Züge eines bärtigen Männergesichts zeigt. Er ermahnte die Gläubigen zur Suche nach dem Angesicht Christi vor allem in den Armen und Not Leidenden. Doch über die fantastische Geschichte des "Volto Santo", des "Heiligen Antlitzes" von Manoppello, verlor er kein Wort. Der Tag im Rückblick(Audio).

Denn diese Geschichte wäre unter Umständen von einiger Brisanz für den Vatikan. Der Legende nach gelangte das seidenfeine Tuch durch einen mysteriösen Boten im Jahr 1506 in das Dörfchen an den Hängen des Majella-Massivs. Doch die fromme Erzählung, so die Überzeugung einiger Forscher und Journalisten, solle nur verschleiern, dass es sich in Wahrheit um die Veronika-Tuch des Vatikan handele - mithin eine der kostbarsten Reliquien der Christenheit. Dieses Tuch sei unter ungeklärten Umständen während des Neubaus von Sankt Peter gestohlen und in die Abgeschiedenheit der Abruzzen gebracht worden. Im Vatikan werde seither nur eine unbeholfene Kopie gezeigt. Zur Unterstützung dieser These wird argumentiert, dass es eine exakte Übereinstimmung des Manoppello-Bildes mit dem Grabtuch von Turin gebe. Demnach bedeckte das kostbare Muschelseidentuch das Gesicht Jesu bei dessen Begräbnis - und zeigt ein unerklärliches Abbild des Auferstandenen.

Auf nichts davon ging Benedikt XVI. öffentlich ein. Ein Privatbesuch wie bei seinen anderen Pilgerfahrten sollte es sein - auch wenn er einräumte, dass die Reise eines Kirchenoberhaupts nie ganz privat sein könne. So begrüßten mehrere tausend Menschen den Papst, als er am Freitagmorgen per Hubschrauber von seinem Sommersitz Castelgandolfo in Manoppello eintraf - weit mehr, als der Platz vor der Kapuzinerkirche fassen konnte. Großbildschirme übertrugen den ersten Papstbesuch der Dorfgeschichte auch auf die Piazza im Ortskern. Empfangen wurde Benedikt XVI. durch Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto. Beide sind, wie der Papst in seiner Ansprache unterstrich, seit Universitätszeiten und durch langjährige gemeinsame Arbeit in der vatikanischen Theologenkommission verbunden.

Einige Minuten lang verweilte der Papst in stillem Gebet vor dem Hochaltar, wo das "Volto Santo" aufbewahrt wird. Anschließend betrachtete er das in einem gläsernen Schrein ausgestellte Tuch eingehend aus der Nähe, ernst und gesammelt. In seiner Rede vor dem Diözesanklerus in der kaum 300 Menschen fassenden Klosterkirche kreiste Benedikt XVI. dann um biblische Themen: die Suche der Jünger Jesu nach dem Messias, die alttestamentlichen Worte vom "Angesicht Gottes". "Das Antlitz Jesu zu suchen, muss das Streben von uns Christen sein", betonte der Papst. Vorbilder dieser Suche seien die Heiligen, die das Angesicht Gottes besonders in den Armen und Not Leidenden erkannt hätten.

Damit lag Benedikt XVI. auch im Erwartungshorizont der Kapuziner, die das Heiligtum seit 370 Jahren betreuen. Aussagen über die Authentizität des rätselhaften Abbilds werde es nicht geben, hatte im Vorfeld Fra Emiliano Antenucci bekräftigt, der das Kloster als Pressesprecher vertritt. Gleichwohl sei der Papstbesuch ein "historisches Ereignis". Die kurze Visite werde die Bekanntheit des "Volto Santo" noch weiter verbreiten, so der Ordensmann. Schon jetzt verzeichnen die Kapuziner steigende Pilgerzahlen. Das Aufkommen habe sich seit 2000 fast verdreifacht. Zu dem Popularitätsschub hätten maßgeblich die Publikationen über das Tuch beigetragen - besonders die des deutschen Journalisten und Buchautors Paul Badde.

Die Kapuziner hoffen jetzt, dass das bronzeglänzende Gewebe weiter wissenschaftlich untersucht wird. Das Interesse des Papstes sei jedenfalls ein gewichtiges Argument für weitere Forschungen, meint Fra Emiliano. Ob das auch die Entnahme von Materialproben einschließe, dazu will der Ordensmann nichts sagen. Die Forschungen müssten mit Rücksicht auf die gläubige Bevölkerung in jedem Fall unter größter Diskretion stattfinden.

Das Dorf Manoppello, bislang eher ein katholisches Heiligtum von regionaler Bedeutung, könnte "der berühmteste Pilgerort der Welt sein", sagt der Kapuzinerbruder - mit nichts weniger als dem authentischen Abbild des Mensch gewordenen Gottes. Jedoch habe sich der Herr immer unbekannte Orte ausgesucht, wie schon bei der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Jetzt allerdings, da der Papst beim "Volto Santo" war, könnte sich das ändern, glaubt Fra Emiliano. Denn durch die Medien - der Besuch wurde unter anderem im italienischen und im deutschen Fernsehen übertragen - sei nun "die ganze Welt in Manoppello" gewesen.

Der "Welt"-Redakteur Paul Badde erläutert die Unterschiede zwischen Grabtuch von Turin, Schweißtuch der Veronika und Schleier von Manoppello: "Wir wissen jetzt, wie Jesus aussah!". Hören Sie Badde im domradio-Interview.
(KNA, epd, RV, dr)