Benedikt XVI. beeindruckt Frankreich und seine Kirche

Politiker, Professor, Pilger, Papst

Papst Benedikt XVI. hat seine viel beachtete Frankreichreise beendet. In nur vier Tagen gelang es ihm, weit über die Grenzen der Kirche hinaus Themen zu setzen, Massen zu mobilisieren und Menschen unterschiedlichster Herkunft zum Nachdenken über den Glauben zu bringen. Zugleich erwies er sich in theologischen und kirchenpolitischen Positionen als unverrückbar konservativ. Ein Kommentar von Ludwig Ring-Eifel (KNA-Chefredakteur).

 (DR)


In Paris dominierte der Papst für mehrere Tage die politische Debatte, indem er die Forderung von Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach einer «positiven laicite», demzufolge ein Dialog mit Glaubensgemeinschaften nicht in Widerspruch zur Werteneutralität des Staates stehe ausdrücklich unterstützte. Zugleich relativierte er das Konzept sanft. Religion habe eine unersetzliche Funktion für die Gewissensbildung der Bürger und trage zu einem ethischen Grundkonsens in der Gesellschaft bei.

Er würdigte die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche als eine positive Errungenschaft, die historisch sogar eine Frucht des Christentums sei. Gerade weil er die rechtlich vorgegebene Trennung akzeptierte, nahm es ihm die intellektuelle und politische Elite Frankreichs nicht übel, als er wenig später im «College des Bernardins» die geistig-moralische Bedeutung des christlichen Erbes für die französische Gesellschaft mit Nachdruck betonte.

Die Pariser Reden des Papstes waren gespickt mit Verbeugungen vor den Größen der französischen Kultur, deren Bedeutung für seine eigene geistige Biografie der Papst betonte. Er tat dies in nahezu perfektem Französisch mit einem weichen deutschen Akzent, der die Zuhörer immer wieder begeisterte. Als der Papst in seiner Rede im Pariser «College des Bernardins» die Offenheit für die Gottesfrage zum Fundament jeder wahren Kultur erklärte, applaudierten auch viele der eingeladenen Agnostiker und Atheisten. Der sozialistische Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoe, ein bekennender Nichtglaubender, bescheinigte dem Papst nach seinem Vortrag, er sei ein wahrer Intellektueller, der die Debatten um Glaube und Vernunft lebe.

Als am zweiten Tag des Parisaufenthaltes mehr als eine Viertelmillion Menschen zur großen Papstmesse kamen, nutzte der Papst diese Gelegenheit, der durch Priestermangel und Überalterung kränkelnden Kirche Frankreichs neues Selbstvertrauen zu geben.
Begriffe wie «Hoffnung», «Kraft», «Vertrauen auf Christus» dominierten seine Predigt, die vor allem Balsam sein sollte für die Seelen der weniger werdenden Katholiken in Frankreich.

Nach den großen Auftritten in der intellektuell-politischen Arena Paris pilgerte Benedikt XVI. nach Lourdes und bewegte sich damit gewissermaßen von der Front zurück an die Quelle der Kraft und des Glaubens. Im Marienwallfahrtsort am Fuß der Pyrenäen erlebten rund 150.000 Pilger und Frankreichs Fernsehzuschauer eine andere Seite des Papstes. Bei großen Messen und meditativen Abend-Liturgien trat der Intellektuelle und Politiker in den Hintergrund, Benedikt XVI.
wurde zum einfühlsamen Pilgervater. In bewegenden Worten sprach er über die Liebe Gottes, das Geheimnis seiner Menschwerdung, die Muttergottes, die Eucharistie. Der Kontrast zu den von Applaus gekrönten, eher intellektuellen Ausführungen in Paris war frappierend.

Doch noch eine weitere Facette des Papstes kam in Lourdes zum Tragen. Den dort versammelten französischen Bischöfen hielt der Papst am Sonntag eine im Ton freundliche, in der Sache aber beinharte Grundsatzrede. Darin zeigte er sich als unnachgiebiger Bewahrer der katholischen Lehre und des Kirchenrechts. Toleranz und Offenheit forderte er für den traditionalistischen Flügel der Kirche. Den wiederverheirateten Geschiedenen gegenüber beharrte er auf dem Ausschluss von den Sakramenten und sprach sich ausdrücklich gegen Experimente mit «Segnungsfeiern» für all jene aus, die gemäß dem Kirchenrecht nicht heiraten dürfen.

So machten Frankreichs Katholiken und die französische Presse in vier Tagen ein Wechselbad der Gefühle durch, wie es das deutsche Publikum seit der Papstwahl von 2005 kennt: Nach der positiven Überraschung über den dialogbereiten Intellektuellen und den menschenfreundlichen Seelsorger folgte die brüske Erinnerung daran, dass der Mann, der ein Vierteljahrhundert Wächter der katholischen Glaubenswahrheiten war, seine theologischen Standpunkte auch als Papst nicht geändert hat. Die Bilanz der päpstlichen Tour de France fällt trotz dieser herben Note am Schluss auch in der französischen Presse beinahe überschwänglich aus. «Diese Papstreise wird Geschichte schreiben», lautete das Fazit der Zeitung «Le Parisien».