Belieferung von 5.500 Gemeinden mit Erdgas hat begonnen

Kirchen steigen ins Energie-Geschäft ein

Während die Fernsehbilder von abgedrehten Gaspipelines in der Ukraine und im Dauerfrost-Winter zitternde Menschen die Diskussionen über Energiesicherheit anheizen, haben die Kirchen in Baden-Württemberg eine kleine Revolution ihrer Gasversorgung über die Bühne gebracht: Seit Januar beziehen in dem bundesweit bislang einzigartigen Projekt 85 Prozent aller Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen wie Krankenhäuser und Kindergärten im Land ihr Erdgas vom kircheneigenen Energie-Unternehmen KSE.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Die Kirchen haben ihre Verträge bei Stadtwerken und Energieriesen wie EnBW gekündigt und kaufen nun selbst an der Energiebörse oder bei Gas-Auktionen ein. Bei einem Jahresvolumen von 50 Millionen Euro, verteilt auf rund 5.500 Kunden, sind gegenüber den bisherigen Verträgen Einsparungen von zehn Prozent oder fünf Millionen Euro pro Jahr geplant.

Gesellschafter der «Gesellschaft zur Energieversorgung der kirchlichen und sozialen Einrichtungen» (KSE) sind die beiden evangelischen Landeskirchen sowie die zwei katholischen Bistümer Freiburg und Rottenburg-Stuttgart im Südwesten, die bereits seit zehn Jahren beim Einkauf von Energie zusammenarbeiten.

«Lieferbeginn und Anbieterwechsel haben reibungslos funktioniert, derzeit haben wir sogar erste Nachmeldungen von Gemeinden, vor allem aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart», sagt Albert-Maria Drexler, KSE-Geschäftsführer. Er koordiniert das laufende Geschäft und kontrolliert die Gas-Beschaffung, die Kundenbetreuung sowie die Abrechnung, welche eine Tochter des südbadischen Energieversorgers Badenova für die Kirchen übernimmt.

Nicht alle Kirchengemeinden in Baden-Württemberg sind aber zur KSE gewechselt. Denn mancherorts hat der Aufstieg der Kirchen zum Gasversorger in der Größenordnung eines mittleren Stadtwerks für Wirbel gesorgt. Kirchengemeinden etwa, deren Kindergärten zum Großteil von den Kommunen bezahlt werden, taten sich schwer, den Liefervertrag mit dem kommunalen Gaswerk zu kündigen. Oder was tun, wenn die Kommune großzügig kirchliche Sozialprojekte unterstützt?

Von «einer Handvoll Einzelfällen» spricht Geschäftsführer Drexler, und dass sich die Wogen bereits geglättet hätten. Zur Beruhigung habe auch die Einsicht beigetragen, dass selbst nach einem Wechsel zur KSE die lokalen Versorger durch die Bereitstellung ihrer Netze weiter mitverdienten: Denn gut ein Drittel der Energiekosten fließen unabhängig von der Herkunft des Erdgases an den Beetreiber des lokalen Netzes - und dies kann kein Endkunde wechseln.

Sicher ist, dass außer der großen Mehrheit der Kirchengemeinden auch die größeren Einzelabnehmer wie Krankenhäuser, Klöster oder kirchliche Schulen unter Kostendruck das kirchliche Energie-Angebot dankbar angenommen haben. «Wir haben landesweit eine deutliche Zustimmung erfahren», so KSE-Aufsichtsratsvorsitzender Johannes Baumgartner.

2009 hat die KSE noch als Start- und Anlaufphase ausgerufen, die Einkäufe für das kommende Jahr haben begonnen. «Wir müssen die derzeit günstigen Einkaufspreise nutzen, bevor sie zur Jahresmitte wieder anziehen werden», so Drexler.

Noch ein weiterer Schritt des kirchlichen Energieunternehmens zeichnet sich bereits langsam ab: Ab 2011 werden die Kirchen auch ins Stromgeschäft einsteigen. Dabei deutet alles auf einen Verzicht auf Atom- und eine Entscheidung für Ökostrom hin. Und: Die KSE ist derzeit in «festen Gesprächen» mit weiteren Landeskirchen in Bistümern aus ganz Deutschland, die ebenfalls an einen Einstieg ins kirchliche Energiegeschäft denken.