Beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps spricht der Papst deutliche Worte

Kritik an steigenden Militärausgaben

Der Neujahrsempfang für das Diplomatische Corps ist traditioneller Anlass der Päpste, die Weltlage aus vatikanischer Sicht zu beleuchten. Unter den Renaissance-Fresken der Sala Reggia entfaltete Benedikt XVI. am Montag in einer Tour d'horizon, was ihn und die Diplomaten des Heiligen Stuhls 2006 politisch besonders beschäftigte und bedrückte - und was er für Zukunft erwartet und hofft. Nur mit einer Aufarbeitung der Vergangenheit und durch Versöhnung komme man zu einer Zukunft in Hoffnung, so der Papst. Ob dahinter eine Anspielung auf den "Fall Wielgus" steckt, bezweifelten Vatikan-Kenner. Die Diplomatenrede des Papstes gilt traditionell den großen Linien der Weltpolitik, nicht kirchlichen Interna.

 (DR)

Die jährliche Grundsatzrede vor den Botschaftern - derzeit unterhalten 175 Staaten diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl - ergänzte und erläuterte den Appell, den das Kirchenoberhaupt zwei Wochen zuvor beim Weihnachtssegen "Urbi et orbi" an die Welt gerichtet hatte. Auch in jener vorrangig theologischen Rede zum Fest der Geburt Christ standen die Forderung nach Frieden und Gerechtigkeit, der Aufruf zum Kampf gegen Armut, Hunger und Diskriminierung im Vordergrund. Auch dort lenkte er den Blick auf die Krisenherde im Heiligen Land und im Libanon, in Irak und Sri Lanka, in Darfur und Lateinamerika. Auch dort plädierte er für den Schutz des Lebens und die Verteidigung von Ehe und Familie.

Kritik an steigenden Militärausgaben
Vor den Diplomaten klang dies freilich grundsätzlicher. "Der Skandal des sich ausweitenden Hungers ist unannehmbar in einer Welt, die über die Güter, über das Knowhow und über die Mittel verfügt, ihn zu beenden". Man müsse ungerechte Wirtschaftsstrukturen, aber auch die eigene Lebensweise ändern und Wachstumsmodelle korrigieren, die nicht dem Respekt vor der Umwelt und der menschlichen Entwicklung Rechnung trügen. Sorgen bereitete auch der Anstieg der Militärausgaben. Die durch den Terrorismus verschärfte Sicherheitsfrage brauche einen globalen Ansatz.

Besorgt äußerte sich der Papst weiter über die "anhaltenden Attentate gegen das Leben"; über Sterbehilfe und Abtreibung, die in Afrika etwa im "Protokoll von Maputo" geradezu banalisiert würden; über eine Destabilisierung von Familie und der Ehe zwischen Mann und Frau durch die Propagierung und Legalisierung völlig andersartiger Verbindungen. Andere Aggressionen gegen das Leben, so betonte der Papst, träten mit wissenschaftlichen Argumenten an, etwa das menschliche Klonen zu "hypothetischen therapeutischen Zwecken".

Interreligiöser Dialog macht Fortschritte
Aber Benedikt XVI. registrierte auch positive Entwicklungen: Der Dialog zwischen den Kulturen oder Religionen habe heute einen hohen Stellenwert. Von dem neuen UN-Menschenrechtsrat erwarte er sich die Verteidigung der menschlichen Würde und Freiheiten, einschließlich der Religionsfreiheit.

Ungewöhnlich detailliert ging der 79-Jährige dann auf die aktuelle Weltlage ein. Rund 30 Staaten und Regionen sprach der Papst einzeln an: von Afghanistan bis Sri Lanka, vom Drama in Darfur und der angespannten Lage am Horn von Afrika bis zu den Kindersoldaten in Uganda. Eher positiv klangen seine Ausführungen zu Lateinamerika, das er im Mai erstmals besuchen will. Benedikt XVI. verwies das dortige Wirtschaftswachstum, einen verstärkten Kampf gegen Drogenhandel und Korruption, Verbesserungen im Erziehungsbereich oder Bemühungen um den Abbau von Ungleichheit.

Zugleich warnte er die Demokratien vor einer Diktatur des Relativismus, auch mit Blick auf den Ausgang einiger Wahlen 2006. Konkret ging er auf Kuba ein: "Möge sich Kuba zur Welt öffnen und die Welt zu Kuba".

Ausführlich widmete sich Benedikt XVI. dem Nahen Osten, wobei er bekannte Positionen wiederholte: "Militärische Lösungen führen zu nichts", sagte er mit Blick auf den Libanon: "Die Libanesen haben ein Recht auf Integrität und Souveränität ihres Landes, die Israelis haben das Recht, in Frieden in ihrem Land zu leben, und auch die Palästinenser haben das Rechte auf ein freies und souveränes Vaterland." Der Papst wandte sich auch an den Iran, der nach seinen Worten einen Beitrag zur Vertrauensbildung in der Region leisten könnte, wenn es sich bei seinem Nuklear-Programm "zu einer befriedigenden Antwort auf die berechtigten Sorgen der internationalen Gemeinschaft" entschließen würde.

Zu Europa ging der Papst in seiner Tour d'horizon auf die Krisen auf dem Balkan, die jüngste EU-Erweiterung durch Bulgarien und Rumänien und vor allem die EU-Verfassung ein. Nach den dramatischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts müssten die Europäer eine Zukunft aufbauen, die frei sei von jeder Unterdrückung und ideologischen Bevormundung. Es gehe heute darum, ein Netz von Freundschaft und Brüderlichkeit zu spannen und Solidarität gegenüber den Armen und Benachteiligten zu üben.
(von KNA-Redakteur Johannes Schidelko)